Zum 20-Jährigen des atl, die Radnabel-Vorgeschichte

Irgendwann in diesen Tagen müsste es soweit (gewesen?) sein. Die Werkstatt ist ja schon seit dreieinhalb Jahren Twen. Jetzt hat’s der atl dann auch geschafft: 20 Jahre AllTagsLieger. Zeit für einen „Rück“-Rückblick: Wie kam’s dazu, dass vor 20 Jahren der erste atl dastand? Genau mit diesem Moment endet diese news, sie ist lange genug. Wann war der Beginn vom Anfang? War der nicht lange vor Firmengründung, mitten in meinem Ingenieurstudium: als die Einsicht reifte, jetzt geht’s der Erde so schlecht, jetzt muss ihr geholfen werden, und was könnte ich da beitragen. Das Studium hatte ich wegen ganz anderem begonnen. War damals – wie alle – auf dem besten Weg zum Popstar (nach Zwangsjahr als Bundes(wehr)-E-Bassist), hatte nur E-Gitarren im Kopf und schon so manche selber gebaut. Die Eltern meinten, erst mal solide was studieren, und so wurde es der Maschinenbau. Allerdings, um danach richtig Gitarren zu bauen. Hatte was erfunden: wie man bei doppelchörigen Gitarren die jeweils (fast) gleich gestimmten – und direkt nebeneinander liegenden(!) – Saiten sauber getrennt in Stereo verstärken konnte, Raumklang ohne Ende. Das Patentieren konnte ich mir dann sparen, da zeitgleich die Elektronik-Pfriemler tätig waren. Deren „Chorus-Effekt“ konnte es ähnlich, nur viel einfacher. Soweit mal dieser Abschweifer (darf man doch mal andeuten, dass es noch anderes gibt außer Fahrrädern). Also, die Energiekrisen I + II waren gewesen, und für mich wurde klar, jetzt ist erst mal nicht die Zeit zum nur schöne Musik machen. Mach ich dann wieder, wenn’s dem Planeten wieder besser geht… Und es war ziemlich schnell klar, dass ich mich bei den Fahrrädern festbeiße. An Ökotechnologie gab’s damals sonst nur noch die Solartechnik in ihren ersten Anfängen. Das war nix für mich, denn ich muss immer sehen, dass sich was bewegt, Zahnrädchen, Ketten usw. Hätte ich mich damals doch der Solarbranche angeschlossen, wäre ich heute sicher ein gemachter Mann, so, wie diese Branche die Fördergelder nachgeschmissen kriegt, (mein Lamento über diese Tatsache zieht sich ja wie ein roter Faden durch diesen news-Stapel). Mitte Studium war also klar: Ich werde Fahrradbauer. Bemerkt hatte ich zudem schon lange, dass die Maschinenbau-Branche so eindeutig wie keine andere in die andere Richtung arbeitet, dem „Weiter so“. Das war für mich abgehakt, und es war klar, ich werde mich selbständig machen müssen. Selbständig war ich dann schon beim Thema meiner Diplomarbeit. Zur Auswahl gab es nur „Weiter so“-Themen. Also schlug ich meinem Prof mein eigenes Thema vor: „Der Fahrradantrieb, Stand der Technik“. Denn der Fahrradantrieb war genau das, womit ich mich seit meiner Umorientierung beschäftigte, mit dessen Optimierung, der Verbesserung seines Wirkungsgrads. Ich hatte inzwischen eigene Antriebe entwickelt, Die Ergebnisse brachte ich in die Diplomarbeit ein. Nachdem das Studium 1982 abgeschlossen war, ließ ich mir noch Zeit mit dem Selbständig machen. Denn es gab ja neben der Herzblut-Musik (der mit den Gitarren) noch die „Für Geld“-Musik (die mit dem Fagott, die hauptsächlich in kirchlichem Rahmen stattfand – alter Kalauer: nicht Fa-Gott, sondern Fa-Geld), die mir bereits bequem das Studium finanziert hatte. Fagott spielen, ohne „nebenher“ noch studieren zu haben, das war dann schon ne Weile recht bequem. Es war klar, ich leiste mir das eine Zeit lang und lege Geld beiseite für meine spätere Fahrradunternehmung. Waren zuletzt fast vier Jahre, wo ich es mir nochmal gut gehen ließ. Zuletzt wurde dann das Gefühl immer drängender: Jetzt bist Du ja doch der Fagott-Profi, der Du schon so lange nicht mehr sein wolltest. Solange Du nichts anderes tust, lebst Du nicht nur VON, sondern auch FÜR diese Kirchenbeschallerei, diese kirchliche PR-Maßnahme: Musik in der Kirche – und sie ist voll. Höchste Zeit, endlich Radnabel zu gründen. Am 5.5.86 war es soweit. War zeitgleich mit Tschernobyl. Diese Katastrophe hat hier bis heute ihre Spuren hinterlassen: Ich hatte zuvor das Kernstück der Werkstattausstattung gebastelt, das Kleinteilemagazin mit riesigen Vollauszugsschubladen. Die Fächer hatte ich zur Unterteilung mit hunderten abgeschnittener „Axel-Frischmilch“-Tetrapacks befüllt, die ich täglich massenweise aus den Mensa-Mülleimern holte. Und plötzlich trank niemand mehr Milch. Ab sofort gab’s nur noch Saft-Tetrapacks. Sind jetzt über 20 Jahre alt – alle immer noch im Einsatz. Radnabel war zunächst eine bescheidene „Platten-Flickerei“ als Nebenerwerbsbetrieb. Und auch so gab’s anfangs genug Neues zu lernen, die befreundeten, damals noch „alternativen“ Fahrradläden halfen dabei. Die waren froh, dass sie lästige Reparaturen einfach zum Dieter weiterleiteten konnten, wollten ihr Geld ohne Dreckfinger machen mit Neuradverkauf. Sie hatten damals noch nicht begriffen, wie gut man mit Reparieren 1-zu-1 Stunden abrechnen kann bei geringen Kosten für das Drumherum, heute finanzieren sie sich hauptsächlich über ihre Werkstätten. So sah mein Alltag in der Folge so aus: morgens Werkstatt-Dreckfinger, nachmittags Musikschule unterrichten, abends + wochenends proben + konzertieren – immer volles Programm. Kaum war ein Jahr verstrichen, tauchte ein vorher Unbekannter hier auf, der Claus, höchst bemerkenswerte Begegnung. Er schaute sich das mal eben an, und dann war klar, er schafft da mit, und zwar ab sofort. Ich hatte kein Vetorecht, denn er wollte kein Geld dafür. So waren wir nun Donnerstag bis Wochenende zu zweit. Der Claus arbeitete daheim in Heidenheim nur noch Halbzeit drei Tage und reiste in der Nacht Mi/Do von dort an, oft auf’m Rad (=120km, später war’s schon ein Ur-Lieger, auf dem er dann auch prompt mal im Fahren eingeschlafen ist). Es war eine ganz schöne Zeit. Der Claus brachte eine Ruhe in das Ganze: wenn es bei mir schnell-schnell gehen musste, konnte er mich souverän wieder auf den Boden zurückholen. Wir begannen dann doch mit Fahrradhandel, ganz bescheiden – und natürlich nix normales: Wir boten das an, was es damals an besonderen Rädern gab. Die kamen im wesentlichen von drei Vorgängerfirmen, die es alle längst nicht mehr gibt: Dieter Burmeister, mein Lehrmeister in Berlin, Radius in Münster und Velo-V in Wuppertal. Vor allem mit Velo-V gab’s rasch Probleme: die Rahmen hielten im Schnitt ein halbes Jahr, die Garantieabwicklung war zäh. Bald begannen wir, die Rahmen selber zu flicken – und irgendwann durch eigene zu ersetzen. Das sah dann schon etwas nach atl aus, denn die Velo-V -Grundgeometrie war prinzipiell dieselbe: langer Radstand, Lenker vorn, aber noch ohne den praktischen Gepäckträger vorn, und ungefedert. Der „Herr Velo-V“, war im Radsport „Wasserträger“ gewesen, und wollte es den ehemaligen Kollegen zeigen, indem er nun „das schnellere Rad“ baute, das hatte mit Alltagsradeln nichts zu tun. Ich selbst hatte Alltagsradeln damals auch noch nicht entdeckt, hatte mit meinen Fahrradantrieb -Studien auch noch ausschließlich das Thema „Schneller“ beackert. Und ich wollte nun meine Antriebs-Variante aus der Studiumszeit einfach mal ausprobiert haben. Konstruktionszeichnungen waren da, musste man halt mal bauen. Also musste eine Drehmaschine her. Und so verbrachte ich meinen zweiten Werkstattwinter damit, mir das Drehen beizubringen und meinen Monsterantrieb einmal zu verwirklichen. Das Ding hatte 18 Kugellager und einen Exzenter intus, wog am Ende 8kg. Aber es fuhr sich dann recht angenehm, war am Anfang immer mal kaputt. Doch ich erinnere mich gerne an die 80km-Schönbuchumrundung mit Christophorus, meinem Liebling von damals. Den Liegerad-Vorgängerfirmen gegenüber war ich zu dieser Zeit noch so hochnäsig zu behaupten, es sei doch ein bissle wenig, nur andere Rahmen zu basteln und das wär’s dann schon. Andererseits merkte ich, dass ich als Kleinstbetrieb meinen Antrieb nicht zur Serienreife bringen würde. Dieses Projekt liegt seitdem in der Schublade. Bis zum atl-Erstling gab’s dann noch zwei Episoden. Die erste war ein Auftrag von Bekannten, für deren damals 6-jährigen Sohn, der mit kaum vorhandenen Beinen auf die Welt gekommen war, ein Dreirad mit Handantrieb zu bauen. Es sollte mit dem Kind mitwachsen können. Ich überlegte mir eine ambitionierte Konstruktion. Bis der Bub das erste Mal draufsaß, verging fast ein Jahr. Dieses Gefährt beinhaltete manche Vorstudie, die später beim atl Anwendung fand, in erster Linie die Federung betreffend. Und vor allem lernte ich dabei das Löten. Kaum war dieses Dreirad ausgeliefert, begab sich Mitte 88 eine weitere bemerkenswerte Begegnung: Zwei Liegerfahrer treffen sich in der Fußgängerzone – illegal radelnd versteht sich. Es war der Markus aus der Schweiz, den ich tags zuvor in der Zeitung abgebildet sah mit seinem FaTeBa, Töchterle Lina hinten drauf. Ihn, den Werkzeugmaschinen-Reviseur, hatte es nach zweiter Scheidung „frauentechnisch“ nach TÜ verschlagen. Ich fragte: „Du bist doch der aus der Zeitung?“ Ab sofort belegte er die Werkstatt mit seiner Anwesenheit. Ähnlich wie Claus zwei Jahre davor war auch er in einer Phase der Neuorientierung. Er hatte schon mehrfach mit Eigenkonstruktionen an der Schweizer „Tour de Sol“ teilgenommen, der damals maßgeblichen Ralley für Solarfahrzeuge, und war dabei auch schon Weltmeister geworden. Er hatte alle Lust, da im nächsten Jahr wieder mitzumischen. Er ließ nicht locker: wir mussten nächsten Sommer dabei sein. Da war DIE Glaubensfrage der Liegeradler zwischen uns: Lenker unten oder oben? Da gab es nichts zu diskutieren, es war schnell klar, wir mussten jeder sein eigenes Gefährt bauen. Und mir war in dieser Zeit klar geworden, die Zeit sei reif für den atl. Markus baute seinen Untenlenk-Solar-Lieger. Ich entschied mich mal wieder für besonders ambitioniertes: ich wollte den atl-Prototypen bauen – und gleich den Solarantrieb als Bausatz dazu. Mit Elan gingen wir ans Werk. Es wurde ein turbulentes Dreivierteljahr, denn ich hatte immer noch die Musik nebenbei. Mit ach und krach wurden die Dinger fertig, und wir gingen bei der „Tour de Sol 1989“ mit unlackierten Aschenputteln an den Start. Wir waren zwei getrennte Teams, Teamchef und Teamfahrer jeweils überkreuz: jeder war des andern Teamchef. Es war ein Riesenspaß. Die Tour führte in einer Woche quer durch die ganze Schweiz inklusive Gotthard-Überquerung. Und wir waren recht erfolgreich: Markus, der alte Hase, trug wieder den Sieg davon in der Kategorie Hybridfahrzeuge. Ich hatte täglich mit Pannen zu kämpfen, da ich vorher mein Fahrzeug nicht mehr hatte richtig austesten können, der Musik wegen. Doch den dritten Rang reichte es trotzdem. Die letzten 30km der Schlussetappe schleppte ich mich mit geplatztem Reifen und halber Kraft ins Ziel – der total zerfetzte Reifen war danach lange Zeit Trophäe in der Werkstatt. Das beste war noch – wir hatten damit überhaupt nicht gerechnet – täglich gab es Etappen-Preisgelder, und weil wir zwei Teams waren gab’s die täglich doppelt! So hat sich diese Spaß-Episode am Schluss auch noch gerechnet. Was ich aus dieser Erfahrung lernte war: nach damaligem Stand der Technik waren Solar-Fahrräder eher Umweltverschmutzung als Abhilfe dagegen. Wer der Umwelt Gutes tun wolle, solle sich eben anstrengen und radeln pur (was es aktuell zum Thema Hilfsmotor zu berichten gibt: im kürze, Geduld!). So ging ich im folgenden daran, mal die ersten zehn Vorserien-atls zu bauen. Markus war nach der Tour wieder in die Schweiz zurückgekehrt, inkl TÜ-Frau, aber alsbald kam dann der Ralf in die Werkstatt hereinspaziert und erkor sich diese zu seiner Heimat für die zweite Hälfte seines viel zu kurzen Lebens (traurige news „Im Januar 2005„). Und nun ist der atl schon einige Zeit das am längsten – und immer noch – gebaute „Liege“-Rad hierzulande.

Über Werbung

Wieder eine aus der Serie: „Wie sich Probleme von alleine lösen, wenn man lange genug wartet“. Vorspann: Das bei uns am meisten vernachlässigte Thema heißt Werbung. Das hat mit der gesunden Abneigung gegen diese Branche zu tun. Da gab es schon mal die Idee, Werbung gehöre schlicht abgeschafft. Ein Nichtangriffspakt sozusagen: alle Anbieter sparen sich Werbeausgaben, und das zu Verhökernde wird entsprechend billiger. Jedenfalls ist es doch pfiffig, sich gerade Nichtbeworbenes zuzulegen. Und so echt zu sparen, nämlich diese quasi Zwangsabgabe an diese armselige Werbebranche, an diese bedauernswerten Kreaturen, die ihr Dasein damit fristen, tagaus tagein Lügen erfinden und verbreiten zu müssen. Was könnte Werbung im besten Sinne sein: Information über Eigenschaften, Qualität, Neuerungen usw von Produkten, Dienstleistungen uA. Soweit wäre sie ja in Ordnung. Doch das war einmal. Werbung ist in rafinierter Symbiose mit Medien schon lange zum wichtigsten Instrument verkommen, womit die Mächtigen uns bei der Stange halten. Da wird uns eingebleut, wie wir zu funktionieren haben, da wird unsere Gesinnung und unser Verhalten manipuliert. Da haben wir gelernt, dass Autofahren sportlich ist und sexy, dass wir natürlich Handys brauchen, dass man schlau ist, wenn man andere übers Ohr haut, dass der totale Wettbewerb – die totale Konkurrenz – das ist, was die Welt jetzt braucht, dass nur der Kahlschlag aller Handelshemmnisse die Welt noch retten kann. Und auch, dass es „populistisch“ sei, denen, die uns das alles erfolgreich beigebracht haben, an das zu wollen, was sie uns dafür abgenommen haben: ans Geld, zB über eine Vermögensbesteuerung oder eine Besteuerung von Börsengewinnen. Dass man dieses Börsenwesen endlich ganz abschaffen sollte – diese unanständige Institution, wo das Glück mit dem Unglück anderer gemacht wird – das zu denken sind wir nicht mehr fähig. Dabei führt sich das Börsentum ja zZ selber vor mit dem todbringenden Spekulieren auf Energie und Grundnahrung. Ok-ok, genug des politischen Rundumschlags, aber meditieren Sie ruhig mal weiter über die Schuld von Werbung und Medien am Zustand der Welt…

Zur Entspannung noch was nettes von einem befreundeten Freiburger Fahrradladen zum Thema. Auf dessen Werbepostkarte stehen schlicht ein 4×3 Buchstaben in folender Anordnung:

WER
BUN
GNE
RVT

Zugegeben, auch wir schalten ab und wann kleine Anzeigen (siehe wichtige news „Super-Frühjahr 2007“). Und traditionell kriegen die klassik-atls auch ein kleines Aufkleberchen, welches bei den faltern dann aber nicht recht passen wollte. Also fuhren die bis jetzt anonym herum. War uns gerade recht: british understatement, wer’s kennen will, der kennt’s. Alle, die’s nicht kapieren, hält man sich so vom Hals. Was lagen sie mir alle in den Ohren: Das kannst Du doch nicht machen, so machst Du Dir selber das Geschäft kaputt – oder so ähnlich. Die Antwort war: Ok, wenn mal Zeit ist, kümmere ich mich mal um neue Aufkleber – war natürlich nie Zeit. Statt dessen kultivierten wir das Entfernen oder Übermalen aller Schriftzüge an allem, was wir an die Räder dranbauen. Insbesondere entwickelten wir enormen Ehrgeiz, es zu verschleiern, wenn sich Anbauteile der japanischen Monopolisten-Krake nicht vermeiden lassen. Es ist einfach wohltuend, wenn einem nicht ständig diese immergleichen Schriftzüge ins Auge stechen. Ich habe es einmal in Israel so angenehm erlebt, dass ich die ganzen Werbeschriftzüge übersehen konnte, einfach weil ich die Buchstaben dort nicht lesen konnte. So, und dann war da neulich dieser Kunde aus der Dresdener Ecke. Der meinte beim Bestellen so ganz beiläufig: Also, er könne übrigens auch mal ein paar Aufkleber machen, er sei aus der Branche. Na endlich, so muss das gehen, da hat sich das Warten ja einmal gelohnt. Und was für schöne Kleber das jetzt sind: Ganz schlicht der Schriftzug der Homepage, nicht als Klebefolie, sondern als Einzelbuchstaben, oberedel. In allerlei Farben, da gibt’s jetzt Froschgrün auf der Lieblingsfarbe Tannengrün, Froschgrün auf Quitschorange, Orange auf Rot, Rot auf Schwarz, Schwarz auf Silber, Silber auf Picassoblau usw. Wir sind sehr glücklich mit dieser neuen Geschäftspartnerschaft. Man fühlt sich bestens behandelt von einem, der selber einen atl benutzt und ihn zu würdigen weiß (auf Anfrage stellen wir gerne den Kontakt her). Somit ist diese news auch noch eine weitere zum Thema Tauschhandel. Und, verrückt wie man konditioniert ist: kaum ist der Schriftzug drauf, machen die atls doch gleich den Eindruck, als seien sie professionell hergestellt.

Unser erster China-Radler

Höchste Zeit, das nachzutragen. Den Richard Haumann bitte ich um Nachsicht, es war das ganze Jahr einfach zu viel los. Dabei war ich des öfteren in Gedanken bei seiner Mammut-Reise und habe mich gefragt, wie’s ihm wohl so geht. Jetzt kann man gerade allerorten lesen, dass sie’s geschafft haben: Sie sind tatsächlich angekommen rechtzeitig zur Eröffnung der olympischen Spiele: in Peking! Mitte Februar war eine Gruppe von 15 Radlern in Athen beim Ur-Olympia zu dieser 175-tägigen Tour aufgebrochen, die sie durch Griechenland, Türkei, Georgien, Aserbaidschan, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, Kasachstan, Kirgistan und zuletzt fast durchs ganze China führen sollte. War des öfteren nicht ganz ungefährlich (immerhin ist gestern Krieg zwischen Russland und Georgien ausgebrochen). „Lebensgefährlich“, schreibt Haumann, war es an der kasachischen Grenze. Seine nüchternen Zahlen: 640 Stunden im Sattel, 14.032 km, 93.542 Höhenmeter. Daraus errechne ich die Leistungsdaten: „schlappe“ 3,65 tatsächlich gefahrene Stunden pro Tag, bei allerdings stattlichen 22km/h, ergibt tägliche 80km und 535 Höhenmeter. Irgendwo im Kaukasus muss es über einen 5000er-Pass gegangen sein. Wie das ging, will ich dann persönlich noch erzählt bekommen. Bis dahin werd ich’s nun endlich wieder mal selber nachlesen auf seinem Reise-Blog http://www.docseidenraupe.blogspot.com. War vor Beginn der Reise mal drauf, als der Blog noch ganz jung war. War nett wie er begann: mit heftigem Gejammer! Die ganze Gruppe musste mit identischen, „normalen“ (gesponserten) Trekking-Rädern fahren, was der Ersatzteile wegen auch sinnvoll war. So musste der Richard (ist übrigens der „Arztnachbar“ in der news vom 15.10.2007, der sich jetzt auch mal seine Auszeit nahm) 1/2 Jahr auf seinen geliebten atl verzichten. Jetzt schaun wir mal, wie sich der Umstieg wieder zurück anlässt. Könnte ja aufschlussreich sein, sowas hat man ja sonst nie.

Am Welt-Aids-Tag 01.12.2008 nachgetragen: So hat sich die Geschichte weiter zugetragen. Kaum war der Richard heimgekehrt, war seine erste Amtshandlung, dieses China-Bike zugunsten der Aids-Hilfe zu versteigern – der Richard ist hier in TÜ DIE Anlaufstelle von Drogenkranken und Aids-Patienten. Und anschließend gönnte er seinem atl und sich eine Ausstattungs-Aufmotzung, die letztendlich teurer wurde, als das, was das China-Bike noch einbrachte, und das war nicht wenig. Und er sei so froh, seinen atl wiederzuhaben.

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Pässeradeln und Pässeradel-Freund

So, heute mal was für die „atleten“. Weiß schon, gehört großgeschrieben und das „h“ fehlt. Soll ja auch ein Wortspiel sein. Gemeint sind atl-FahrerInnen, die den „All-Tags-Lieger“ auch als Sportgerät hernehmen. Dürfen sich aber auch alle anderen Radsport-AthletInnen angesprochen fühlen. Einziges Kriterium echter Männer, ob ein Rad was taugt, ist ja, wie Mann damit einen Berg hochkommt. Da grassiert ja das für die meisten Lieger-Konstruktionen nicht ganz unberechtigte Vorurteil, dass Lieger am Berg nix taugen. Das stimmt ja nun bei unserem atl garnicht (versteht man/frau spätestens, wenn er/sie das hierzu auf der „klassik“-Seite unter „Eigenschaften“ knapp und technisch dargelegte kapiert hat). Lasst uns die Bergtauglichkeit unserer atls mal wieder demonstrieren, also: In der Schweiz gibt’s den Verein „FreiPass“ ( www.freipass.ch ) mit Vereinspräsident und allem. Der organisiert jedes Jahr an einem Alpenpass einen autofreien Tag, ein Fest für uns Radler. Dieses Jahr ist der Susten dran, am 20. September. Wird meine vierte Sustenquerung sein, kenne den nur aufm Rad. Die vorletzte Querung war auch schon autofrei. Das war vor ein paar Jahren, kurz nach den heftigen Unwettern dort. Es hatte weit oben eine Brücke weggespült, aber der Radler trägt sein bestes Stück dann einfach durchs Bachbett. Hatte mit Freund Eberhard den ganzen Pass komplett für uns alleine (diese nun schon ein Vierteljahrhundert andauernde Geschichte mit Ebi muss ich jetzt doch mal knapp zum Besten geben, aber Geduld…). Haben für diesen Septembertag noch nichts konkret organisiert. Vielleicht treffen wir uns am Freitagabend auf der Westseite in Meiringen. Dort hat’s einen Bahnhof, und man kann zelten. Vielleicht finden wir noch einen Hof zum Nächtigen mit adäquatem Frühstück für diesen Sporttag. Die gepäckfreie Variante zum Passerklimmen wäre dann, dass Zelt usw einfach da bleiben und wir den Pass dann gleich zweimal „machen“: hin und zurück, geht nicht gibt’s nicht, und ohne Gepäck macht’s halt doch mehr Laune. Also, wenn sich wer angesprochen fühlt und gern mit dabei wäre, über „Kontakt“ könnt Ihr’s kundtun, dann halten wir Euch auf dem Laufenden. Nun also zu Ebi + Dieter: Angefangen hat alles vor – ja wohl – 25 Jahren mit einem Wohnheimfest auf Schloss Solitude, wo damals die halbe Stuttgarter Kontrabass-Hochschulklasse hauste. Am Tag drauf brach diese mit Anhang zu neunt in zwei selberausgebauten VW-Bussen inkl drei Kontrabässen + einem Tandem auf in Richtung Schweden, und ich war mit einer guten Freundin mit dabei – so spontan war man damals, wir kannten uns wirklich nur vom vorangegangenen Abend. Waren heiße Wochen. Einiges später, nach dem „Tour de Sol“-Erfolg mit dem elektromotorbestückten atl-Prorotyp (war 1988 und ist schon so lange her, dass davon hier noch nie die Rede war, das kommt aber auch mal noch mal, ich versprech’s) bekam Ebi einen Elektro-atl gebastelt. Mit dem hat er eine Zeitlang versucht, seinen täglichen Dienstweg aus der inzwischen Tübinger Umgebung zu einem der Stuttgarter Orchester, in dem er seither spielt, zu überwinden. Das hat nicht so recht funktioniert, für so eine Strecke waren die damaligen Batterien zu schwer, das Ding fuhr 75km/h, Speichen, Reifen usw waren überfordert. Bald gab’s den Rückbau zum reinen Muskelkraft-atl. Und dann hab ich ihn wohl mal zu arg „deklassiert“ an einem Pass, und Ebi kam zu dem Schluss: „Rennrad ist eh viel besser“ (siehe oben: wie echte Männer Räder bewerten). Seither kämpfe ich mit Ebi diesen Kampf aus, wir sind immer wieder gemeinsam in den Bergen, und oft hat er mir’s gezeigt mit seinem Renner – und umgekehrt. Waren oft erbitterte Kämpfe, die wir uns geliefert haben. Die Krönung war 2003. Wir radelten in 19 Tagen von TÜ bis ans Ende Europas, bis Granada in Südspanien, kurz vor Afrika. Habe fast ausschließlich seinen Windschatten genutzt und habe zweieinhalb Wochen fast nur sein Hinterteil gesehen. Hatte keine Lust auf kämpfen, hatte Ferien. An Frankreich – wo in diesem Sommer fünftausend den Hitzetod starben – und Spanien habe ich kaum eine Erinnerung behalten. In einer Sierra in Mittelspanien wären wir dann fast selber verdurstet, als 70km weit kein Dorf und nix mehr kam. Dort hat uns dann ein Kloster mit einer riesen Marienstatue errettet, wäre beinahe wieder gläubig geworden! Wir haben uns damals in dieser Anspannung so gestritten, dass ich einmal sagte, jetzt braucht unsere Freundschaft wohl mal eine Pause. In Granada angekommen schlief ich anderthalb Tage durch in der maurischen Höhlenwohnung von Derk, einem jungen, ehemaligen Orchester-Praktikanten in Ebis Orchester. Dann ging’s an die Königsetappe dieser Reise. Hinter Granaga erhebt sich die Sierra Nevada, da hat’s die höchste Straße, die unser Kontinent zu bieten hat. Der Veleta hat 3494müM. Bis fast ganz oben kann man fahren. Wir waren jetzt zu dritt, mit Derk, ein ungleiches Trio, mit Rennrad, Lieger und Mounty. Unten fängt’s sechsspurig an, bald wird’s ruhiger. Nach einer guten Stunde gab’s Schwimmen im Stausee, der die Stadt mit Wasser versorgt – inzwischen recht kärglich, die haben dort jetzt richtig Wasserprobkeme. Dann ging’s weiter, alles in allem so sechs Stunden immer höher. Hatte die beiden gut im Griff, war gut erholt. Die Straße wird immer schmaler, ist irgendwann für Autos gesperrt. Am Ende war Ebi doch als erster oben, hat aber nicht recht gezählt. Da war wieder das Wasserproblem. Mit Derk war ich lange vornedraus, als wir etwas abseits eine Herberge entdeckten, wo wir uns nochmal bevorraten konnten. An die Abzweigung zurückgekehrt warteten wir auf den durstigen Ebi, 20 Minuten, da kam keiner. Da entdeckten wir schon weit oben ein graues Etwas den Berg hochschleichen. Ebi war also doch schon durch. So war er natürlich nicht mehr einzuholen. War dann auch nicht mehr so wichtig. Es war irre schön da oben, und endlich war’s mal wieder eisekalt, endlich mal wieder frieren. Haben viele Bilder gemacht.

August 2008 Veleta 3494 müM

August 2008 Veleta 3494 müM

Ebi und ich waren auch seither jedes Jahr mal ein paar Tage in den Bergen. Das Kämpfen ist inzwischen nicht mehr so wichtig. Wir wissen seit den damaligen Streits, wo wir uns in Ruhe lassen müssen. Morgen geht’s mal wieder auf zur diesjährigen Unternehmung. Freu mich drauf: Das ist ein Teil dessen, wofür ich über’s Jahr arbeite.

Später Nachtrag: Aber das war doch recht nett, was der Schweizer HPV-Chef (unser Verein „Human Povered Vehicles“ ist ja der Tummelplatz für Fahrradbastler) da im vorletzten Vereinsheftle „Info Bull“ über unsere Sustenquerung schrieb. Er hatte sich den Radnablern kurzentschlossen angeschlossen, und, na ja, es hat ihm wohl bissle gefallen mit uns. Habe seine Erlaubnis, seinen Bericht hier zu veröffentlichen.

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Zwei auf einen Streich

Ist das nun positive oder negative Energiebilanz, wenn am Ende mehr Energie da ist als am Anfang war? Und geht das überhaupt? Ein Weltverbesserer schafft’s natürlich locker, sich das zurechtzurechnen: Letzte Woche an einem Tag mit der zeitgleichen Auslieferung zweier Radnäbel auf einen Streich zwei Autos abgeschafft! Die beiden Neukunden aus der Freiburger Gegend sind ab sofort autofrei (wird unten noch näher erörtert). Wenn man das Bissle Herstellenergie für zwei Räder gegenrechnet mit Herstellenergie und Sprit für, sagen wir 2 mal 20 Jahre – so lange werden die Räder wohl halten – nicht Autofahren, dann bleibt da schon einiges übrig. So ne Rechnung ist natürlich nicht zulässig. Was hätte da zB ein Umweltminister, wenn er so rechnen dürfte, mit all seinen Transatlantikflügen für eine prima Energiebilanz? Die beiden müssen sich ihre Autofreiheit schließlich künftig tagtäglich selber erstrampeln (aber mit den Radnäbeln ist das ja wiederum gar nicht so furchtbar, dazu hat’s ja bereits ausführliche Ausführungen in tieferen news). Sind beide in der Tat Musterexemplare von Wunschkunden (das wiederum ist beinahe die Regel, darüber sind wir sehr glücklich). Den einen, den Christoph, kenne ich schon recht lange. Ist ein Fagott-Kollege, haben vor wohl 20 Jahren ein erstes Mal zusammen musiziert. Er war damals Studentlein dieses gemeinsamen Instruments und lehrt + dirigiert inzwischen an einem Musikgymnasium in der Freiburger Umgebung. Ihn haben die Radnäbel schon lange begeistert, aber er konnte sich sowas bisher einfach nicht leisten. Vor einigen Jahren rief er mich an und beichtete, dass er gerade an einer Homepage für Radnabel bastele und ob’s recht sei. Einfach so, wo gibt’s denn sowas! Inzwischen hatten sie sich häuslich neu eingerichtet gleich beim Freiburger Bahnhof. Die Karre war verhökert, und nun war locker genug Geld übrig für einen Top-falter. Und nun geht’s per Bahn + falter zum Unterricht, die Version morgens hin im Zug und zurück entspannt mit dem Rad. Nach drei Tagen kam die Rückmeldung, die ersten 150km seien drauf. Die Freundin des anderen, von Till, erzählte, als sie zum ersten Mal zum Testfahren da waren, er müsse die Radnabel-Homepage eigentlich auswendig können, so oft wie er sie angeschaut hat. Der Till ist ein noch recht Junger, hat man selten in der Kundschaft. So einer muss alles zusammenkratzen, um sich so ein Rad leisten zu können (bin mir nicht sicher, ob er je ein Auto besaß. Falls nicht, dann ist die Angeberei mit den zwei abgeschaffter Autos sowieso nur halb wahr). Jobbt auf einem Bio-Bauernhof am Kaiserstuhl, ist aber eigentlich Kunsthandwerker. Er baut uA Lampen aus Holz, wo das Licht durch hauchdünnes, handgeschliffenes Furnier durchscheint. Haben einen Deal gemacht, und so kam ich nun zu einer seiner Top-Stehlampen. An dem Tag, als er kam, um die beiden Räder abzuholen, war um die Werkstatt rum ein alljährlicher Kunsthandwerk-Markt, Tills geballte Konkurrenz alle aufs Mal. Ist ja alles wunderschön, was die da erschaffen, aber kaufen tät ich mir sowas nie. Diese Kunsthandwerker-Branche ist ja sowas wie eine revolutionsverzögernde Maßnahme: Da hat die „Kleptokratie“ (schönes Wort, hab ich neulich aufgeschnappt) die Möglichkeit, ein wenig ihres zu unrecht erworbenen Zuviel wieder herzugeben für teuren Tand. Und so sichern sie diesen Herzblut-Schöpfern ein kärgliches Überleben. Doch durch Tauschhandel an so ne Lampe zu kommen, das hat doch was: Jetzt kann ich immer, wenn ich sie anknipse dran denken, dass der Till wohl heute wieder auf einem unserer Räder saß. Demnächst gibt’s dort am Kaiserstuhl ein Hoffest. Werden wohl was draus machen. Ist dann der Anlass für eine erneute Schwarzwald-Querung, nachdem die letzte eben erst war: In Sachen Musik, Schweiztournee, Dienstreise, alles mit dem Fahrrad versteht sich. Und den Christoph werd ich dann auch wiedersehen.

20″-Spikes-Reifen, Lobbyarbeit hat Erfolg

MarathonWinter

Marathon Winter

Note 1 für dieses Timing: Rechtzeitig zu den ersten Frostnächten sind die neuen 20″-Spikesreifen da. Unsere Lobbyarbeit war mal wieder erfolgreich. Vor vergleichsweise kurzen fünf Jahren haben wir derentwegen begonnen, der Firma Schwalbe immer wieder in den Ohren zu liegen. Nun hat unser Alltagslieger wieder ein Stück Alltagstauglichkeit dazugewonnen. Die Reifen waren ja schon für letztes Jahr angekündigt. Schwalbe sah aber von der Auslieferung nochmal ab wegen Qualitätsproblemen, seriöse Firma eben. Dies war beim letzten Klimaschock-Winter durchaus zu verschmerzen. Wie sich dieses Jahr der Winter anlässt, kommt die Einführung nun goldrichtig. Es ist ein Reifen auf der Basis des Marathon, er heißt dementsprechend „Marathon Winter“ und hat die Maße 42-406. Er hat ein moderates Stollenprofil, weist die bewährte Marathon-Pannensicherheit auf und darf bis 5 Bar aufgepumpt werden. Wir haben bereits erste Erfahrungen gesammelt. Weil sich in der 20-Zoll-Fraktion auch Dreiräder tummeln, sind die Spikes so angeordnet, dass auch bei Geradeausfahrt in senkrechter Reifenstellung schon Spikes im Eingriff sind. Dadurch sind die Reifen recht laut. Dennoch ist der Rollwiderstand nicht dem Geräusch entsprechend, er ist nicht spürbar höher als bei anderen Reifen, sehr erfreulich. Diese Reifen dürften unsere Langstrecken-Pendler sehr glücklich machen, vielen Dank an Schwalbe. Der Listenpreis von € 49,50 ist stolz, Spikesreifen sind halt nicht billig – und doch wirkungsvoll.

Wie schräg: Weniger Arbeiten?

Ein weiterer Fernsehtipp, und zwar für Mittwoch 31.10. um 22:30 auf WDR, Wiederholung an Freitag 2.11. ca. 14 Uhr, für Nachzügler als Podcast unter http://www.wdr.de/tv/menschen-hautnah . Die Sendereihe heißt „Menschen hautnah“, soll recht populär sein, mit hoher Qualität. Besagte Folge widmet sich einem Freund und Kunden, der einen bemerkenswerten Lebensweg eingeschlagen hat, um Radnabel geht’s dabei diesmal nur am Rande. Der Axel war zunächst als Kontrabassist in einem führenden Kulturorchester tätig in einer Stellung, die viele ein Lebenlang nicht erreichen. Es befriedigte ihn aber nicht lange, nur „Taste auf der Klaviatur“ launiger Dirigenten zu sein, wie er sich einmal ausdrückte. So kam er nach Tübingen, um Medizin zu studieren. Damals – muss an die 30 Jahre her sein – haben wir uns schon ein wenig kennengelernt. Später eröffnete er zusammen mit seiner Frau eine Praxis für Allgemeinmedizin und hatte bald den Ruf eines besonders fähigen, menschlichen und beliebten Hausarztes. So wurde er auch der Arzt meines Vertrauens, und ich wurde sein Fahrradbauer. Viele Jahre hat er seine Hausbesuche komplett mit dem atl bewältigt, Arztkoffer vorne unter die Haube und los (sein befreundeter Arztnachbar tat’s ihm bald gleich. Warum sind die beiden eigentlich bislang die einzigen geblieben, die erkannt haben, wie gut das geht?). Vor gut fünf Jahren vollzog der Axel die nächste Wende in seinem Erwerbsleben: er stellte dieses schlicht ein! Darum geht es nun in dieser Sendung. Mit 50 in den „Ruhestand“, Platz machen für den Arztnachwuchs, sich künftig mit viel weniger Geld begnügen. Es war die Zeit, bevor die Hartz-Doktrie das Land in Würgegriff nahm. Nicht dass Axel jetzt nichts mehr tat, nein: er schrieb ein erstes Buch übers weniger arbeiten, jetzt, wo endlich Maschinen die stumpfsinnigen Arbeiten erledigen konnten. Sehr zum Lesen empfohlen dieses Buch, der pure Gegenentwurf zur jetzt praktizierten Arbeitspolitik, habe beim Lesen viel gelernt. Bin stolzer Besitzer eines der wenigen im Eigenverlag hergestellten Urbücher, die noch den ursprünglichen Titel trugen: „Die verlorene Tugendhaftigkeit der Arbeit“. Den Titel kassierte später der Verleger zu Ungunsten von „Die Kunst, weniger zu arbeiten“ (Axel Braig und Ulrich Renz, Argon-Verlag, ISBN 3-87024-541-7). Das Urbuch schenkte mir Axel, weil ihn, wie er sagte, mein Tun ein Stück weit zu seinem Ausstieg ermuntert hat. Dies ist nun eine Sache, die wir immer mal wieder versuchen, auszudiskutieren. Wenn ich Axel richtig verstehe, nahm er sich dabei die Tatsache zum Vorbild, dass ich tue, was ich will. Da ist ja was dran, die Arbeit hier ist wirklich selbstbestimmt, ursprünglich, vielseitig und was weiß ich alles, macht jedenfalls für sich genommen einfach Spaß. Und doch ist das nur der angenehme Nebeneffekt des Eigentlichen: was ich tue ist, was ich für richtig halte, und das ist ein großer Unterschied zu „ich tue, was ich will“. Ich habe mit den Rädern etwas gefunden, wovon ich denke, es muss getan werden. Dieses Thema ist vielleicht mal später eine eigene news wert, zurück zu Axel. Bei seiner Arbeitskritik gibt’s keine Meinungsunterschiede. Vielleicht könnte man noch aktuell ergänzen, dass die jetzt grassierende Arbreitswut einhergeht mit Umweltzerstörung, Energievergeudung und dem Klimawandel: Es ist doch so offensichtlich, dass diese Global-Turbo-Wirtschaft genau die falsche Strategie ist, um noch zu retten, was noch zu retten ist… Aber lassen wir den Axel selber zu Wort kommen in diesem Filmportrait. Seit seiner „Pensionierung“ hat er noch so manches unternommen. Er erzählt, gefilmt hätten sie ihn recht ausführlich mit einem seiner Radnäbel (ein wirklich guter Kunde hat längst mindestens zwei). Leider war’s sein 15-jähriger Oldtimer, nicht mehr ganz repräsentativ, fährt aber wie eh und je.

Fahrradhelm und atl, past das zusammen?

Seit Tagen findet im Leserforum der hiesigen Lokalzeitung ein Schlagabtausch um das Fahrradhelmtragen statt. Ausgelöst hat ihn eine gute Bekannte, die sich darüber beschwerte, dass in Berichten über Fahrradunfälle mit schöner Regelmäßigkeit genüsslich sachlich konstatiert wird, dass die RadlerINNEN wieder mal keinen Helm trugen, wenn dem so war. Radnabel mischte nun mit, hier der Beitrag: „Die Debatte beschränkt sich bisher auf gefährliche „Hochräder“, die eigentlich längst überholt sind. Zugegeben, hier betreibt der örtliche „Sesselrad“-Hersteller einmal mehr Lobbyarbeit, er darf das: es dient der Wahrheitsfindung. Die bald 20-jährige Erfahrung mit unserer – auch zugegeben – überschaubaren Kundschaft, zu der dafür enger Kontakt besteht, verzeichnet keinen einzigen Sturz, der im Krankenhaus geendet wäre. Wohl sind bald alle unserer KundINNen mal geflogen (meist auf glitschigem Untergrund, wenn die Räder ausbrachen). Das endete für gewöhnlich glimpflich auf dem Hinterteil. In den meisten Gefahrensituationen steigt man/frau instinktiv voll in die Eisen (geht ohne Kopfübersturz dank des tieferen Schwerpunkts und des weit vorn angeordneten Vorderrads), stemmt sich mit den Händen gegen den (klassisch) vorn angeordneten Lenker, sowie mit beiden Füßen auf die Fahrbahn (geht ebenfalls wegen des niederen Sitzens) und kommt so bei unerreicht kurzem Bremsweg sicher zum Stehen. Oft haben wir den Eindruck, andere Verkehrsteilnehmer empfinden unser Verhalten im Verkehr als ungebührlich riskant, ist es nicht: wir haben’s im Griff! Unsereins genießt es, sich sommers barhäuptig der Sonne hinzugeben (zum Radeln in der nassen Jahreszeit haben wir andere Antworten zur Genüge). Meine bescheidene private Drohung besteht: Käme einmal eine Fahrrad-Helmpflicht, ich stiege sofort um: auf’s Motorrad!“

Ein Beispiel-Wochenende

Wie der Radnabel-Chef seine Wochenenden durchbringt, wenn er ausnahmsweise nicht durchschafft: Nicht wirklich weltbewegend, aber das vorletzte Wochenende war doch so ein Volltreffer, da mache ich doch gern ein bissle neidisch. Es begann freitagmorgens mit der Auslieferung von gleich zwei faltern an ein in der HPV-Scene recht bekanntes Pärchen inkl. Simultan-Faltkurs in der Sonne auf unserem Jakobsweg-Kirchen-Vorplatz gleich gegenüber. Am Nachmittag gings dann per Zug nach Stuttgart. Immer mal wieder holt mich mein früheres Leben ein. Lange vorm Euro war mein DM-Suchgerät mein Fagott, man konnte damals in den 70/80ern üppig fündig werden. War ein angenehmes Leben, sponsered by Staat + Kirche. Man musste nur zweierlei, mit beidem hatte ich immer schon Schwierigkeiten: die richtigen Töne spielen und nicht weiter nachdenken. Oder man sollte wenigstens den Mund halten, dies nicht zu tun, übe ich immer noch. Irgendwann fiel mir auf, dass ich nur noch zu Regierungs + Gottes Lob in der Karre saß, da darf man sich bei den Schaustellern einreihen: fahrendes Volk eben. Und damals wurden mir Fahrräder wichtig, so zog ich mich allmählich aus dem Musikbetrieb zurück. Den letzten Bruch gab’s allerdings erst vor wenigen Jahren. Und dann, wenn sie mit Konzertreisen winken, kommt man halt doch wieder ins Wanken. Und so trifft man mich jetzt doch wieder – vertretbar selten – beim „Kirchenbeschallen“. Im Zug dabei waren also: heiliger gefalteter Ur-falter + Delfin-Verkleidung, darin Fagott, Noten, Notenständer, kleine Version der Konzertverkleidung und das Wenige, was man für ein schönes Radelwochenende so braucht. Vom Stuttgarter HBF gings radelnd weiter durch die grüne Lunge hintenrum auf den noblen Killesberg ins Chorheim (ein Benisch-Bau wie der „neue“ Bonner Bundestag) eines nicht unbedeutenden Knabenchors, sympathische zweite Bundesliga, würde ich sagen, denn ihr hohes Niveau erzielen die auch ohne extensiven Bildzeitungs-tauglichen Drill. Nach der Probe beschaulicher Biergartenabend in Cannstadt, dem schöneren und ältesten Teil der Stadt. Dort auf dem Heimweg noch die Daimler-Gedenkstätte entdeckt, seine Originalwerkstatt, wo das ganze Unheil begann – sicher von ihm so nicht gewollt. Prächtig gelegen, mitten im Park, sieht aus, als sei da von vornherein viel Geld im Spiel gewesen. Für samstagabend stand ein Konzert in Heilbronn an. Bis dahin den ganzen Tag Zeit für eine der schönsten Raderlebnisse seit langem: immer dem Neckar nach, der schlängelt sich da gemächlich durch’s Ländle, sodass man sich einen gemütlichen Tag lang mit der eher kurzen Luftliniendistanz beschäftigen kann. Aber mindestens eine wenn nicht die Perle im Schwabenland, dieser Neckarabschnitt: überall „Drogenanbau“, allerorten war man gerade an der Weinlese. Meist gibt’s da unten nur schmale Wirtschaftswege, inzwischen gut als Fahrradwege ausgeschildert, und: traumhaftes Frühherbstwetter. Zwischenstopp in Schillers Marbach, dem pferdefreien (die Queen: „…and where are the horses??“). Mittagsmahl auf dem Marktplatz von Besigheim, umgeben von feinstem Fachwerk. Was das Neckartal in diesem Abschnitt allerdings auch birgt, ist ein Gutteil unserer Noch-Energieversorgung: Irgendwann habe ich aufgehört, die Kohlekraftwerke zu zählen, ein Ur-Schwerölkraftwerk war auch noch drunter. Und dann ging’s ganz dicht vorbei an Neckarwestheim I + II. Die einzige Wolke weit und breit, was den Kühltürmen da kilometerhoch entströmte, ein unheimeliges Gefühl erzeugend, dabei ist das eigentlich Unheimliche garnicht zu sehen! Vor lauter „ja nicht zu spät kommen“ viel zu früh in Heilbronn, dem damals völlig kriegszerstörten. Dort sitzt der Fahrradbauer dann abends in der (ähnlich der Dresdener Frauenkirche wiederaufgebauten) ersten Kirche am Platz und gibt bei einer kammermusikalischen Zwischenmusik (damit die Jungs sich erholen können) den versierten Fagott-Profi. Was ein erhebender Rollenwechsel: „hier die Noten, spiel mal“! Irgendwie ging’s, wie in alten Zeiten. Kurz vor Torschluss und jwd dann doch noch ein Hotelzimmerchen gefunden, Berührung mit der normalen Welt: umgeben von Monteuren, die in wichtiger Mission beim Audi-Werk im nahen Neckarsulm hier abgestiegen waren. Folgte der Sonntag, noch ein Radler-Traum-Tag: Schon lange war Hesses Maulbronn auf meiner Wunschliste. Als ehemaliger Bebenhausen-Schlossbewohner wollte ich dieses noch Größere, noch Bedeutendere, und außerdem als Weltkulturerbe geführte doch endlich mal gesehen haben. Der Weg dorthin führt durchs Kraichgau, einer Hügellandschaft, wie das Neckartal vom Weinbau geprägt, in jedem zweiten Ort ein Weinfest. Lange Zeit grüßte noch die Neckarwestheimer Gruselwolke von Ferne. Sehr glücklich war ich in dieser Gegend mit meinen Karten, den Freizeitkarten vom Landesvermessungsamt Baden-Württemberg, sie leiteten mich fernab des MIV-Getümmels beschaulich durch diese stille Kulturlandschaft. Endlich mal in Maulbronn zu sein, war dann schon ergreifend, auch wenn meine betagte Mutter am nächsten Tag meinte, Bebenhausen sei doch viel ursprünglicher. Den amerikanisch/japanischen Kaffee+Kuchen-Trubel dort muss man nicht gutheißen. Eigentlich war mein Plan, dort in unsere „Kulturbahn“ zu steigen und bequem heimzuzügeln. Aber es war noch früher Mittag, und bei dem Königswetter jetzt schon in ein geschlossenes Zugabteil zu hocken, konnte ich mir nicht antun, also erst mal weiter bis Pforzheim. Das war dann schon fast daheim, und ich bekam Schwierigkeiten, jetzt diesen Riesen-Umweg per Bahn über Horb zu nehmen. Es war erst 1/2 fünf, also: einen Gang höher schalten und vollends durch per Muskelkraft. Sind dann schon noch 80km, aber das idyllische Würmtal war schon lange nicht mehr dran, also gib ihm. Wollte aber vor Dunkelheit zuhause sein, da gibt’s einen Grund, gleich mehr. Kurz in Keplers Weil-der-Stadt gegrüßt und weiter, Sindelfingen, schnell durch’s Daimler-Areal, dann Böblingen. Hätten wir’s vorher gewusst, hätt’s dort ein Wiedersehen mit ’nem ganz Lieben geben können. So war’s halt ’ne Woche später – und wieder viel zu kurz. Schon in der Dämmerung ging’s in den altbekannten Schönbuch. Da wollte ich eben vor Dunkelheit durch sein, um nicht nochmal sowas zu erleben wie vor Jahren. Dies ist nun der Kurzbericht über den zweiten und – bisher – letzten spektakulären Liegeradsturz meinerseits: War seinerzeit auf dem Heimweg von einer Böblingen-Mugge (=Musikers-Gelegenheits-Geschäft), war schon kurz vor der Geisterstunde. Hatte an den Tagen davor nach den Proben schon immer die Wildschweine da im Goldersbachtal bei ihrem Ausgang gesichtet. In dieser letzten Nacht nun, nach dem Konzert, wollte ich einfach nur noch heim. Gab entsprechend Gummi, was kümmern mich die Säue! An der gleichen Stelle sind sie diese Nacht wieder. Und als ich sie gerade bemerke, kriegt eine Panik, schießt aus dem Graben und erwischt mich so, dass sie wohl unter meinem Rad durchgeprescht ist. Ich sehe mich noch wie bei Asterix in 90 Grad Schräglage durch die Luft fliegen, danach endloses Gerutsche auf dem Splitt, komme endlich zum Liegen, rieche Wildschweinduft und höre da hinten wildes Geschnaube. „Nix wie weg hier“ war mein einziger Gedanke, erst einen Kilometer weiter begann ich mich zu sortieren: blauer Fleck am Schenkel, der mich noch wochenlang an diese Begegnung erinnerte, muss wohl der Lenker gewesen sein den ich mir da reingerammt habe, sonst nix! Hatte der Kühle wegen das Verkleidungscape über, der Splitt konnte diesem nichts anhaben, nur am Grundbrett des Verkleidungs-Vorderteils war eine Ecke angebrochen. Dieses Mal keine Säue, hab’s geschafft: mit Sonnenuntergang um 1/2 acht daheim. Leute, so geht Mobilität auch. PS: das alles war natürlich Dienstreise, steuerlich voll absetzbar, gell.

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Liegeradlers Glaubensfragen

Das kennen wir ja ziemlich gut: Da steht man hinter den Maschinen hier in der Werkstatt – dem Nabel der Fahrradwelt, und tagelang verirrt sich kein einziger Zeitgenosse hier herein. Da fragt man sich schon mal: Was treibt die eigentlich um, dass sie es einfach nicht erkennen: das hier schlummernde Potential zur Lösung der größten Menschheitsprobleme aller Zeiten, die da unserer harren. Und dann gibt’s auch immer wieder sowas: Da steigt weit hinter Wien ein Jungbauer in den Nachtzug, um gestern morgen nach 15 Stunden hier am Ziel seiner Wallfahrt anzukommen. Trotz österreichischem „Generalimporteur“ war es ihm wichtig, einmal selber hierher zu kommen, um die vielen Details zu verstehen und direkt mit uns zu reden. Wir sind solche weiten Anreisen ja ein bissle gewohnt, und wir haben es sehr gerne, wenn wir unsere potentielle Kundschaft persönlich kennenlernen und uns direkt und ohne Zeitdruck austauschen können. Passenderweise war gestern hier nicht wirklich Dringendes zu erledigen, so wurde es diesmal ein ausgiebiger Austausch mit längerer Ausfahrt und Abschiedsbier. Nun, bis hier her ist das sicher noch keine „news“ wert. Die mitteilenswerte Essenz dieses Besuchs scheint mir die zu sein. In der Liegeradbranche gibt es ja die klassischen zwei Glaubensfragen: „Lenker oben oder unten“ und „langer oder kurzer Radstand“. (Glaubensfragen sind – das weiß man spätestens seit Bin Laden – solche, wofür man sich die Köpfe einschlagen muss, oder wo man sich – wenn’s den irgend geht – in Ruhe lassen muss. Zu diskutieren gibt’s da jedenfalls nichts, allenfalls über den Unsinn von Glauben schlechthin.) Auch wir haben unsere feste Ansicht in diesen beiden Glaubensfragen. Und mehr: wir glauben zu wissen, was richtig ist. Es gibt da nämlich doch Fakten, zB meinen doppelten Rippenbruch vor vielen Jahren beim „Abstieg“ von einem Untengelenkten bei 50km/h: Nässe, von den Pedalen abgerutscht, Füße fallen auf die Fahrbahn und werden von dieser nach hinten gezogen, dadurch wird der Oberkörper aus dem Sitz nach vorn gezogen, da gibt’s nun keinen Lenker zum Abstützen, also Bauchlandung auf der Fahrbahn, das geht so schnell! Fazit: Untenlenker = Fehlkonstruktion, basta. Der junge Herr nun schickt sich doch an, die Glaubensrichtung zu wechseln. So ein Konvertit ist höchst selten in der Scene – und entsprechend wertvoll, hat er doch Erfahrungen mit unterschiedlichen Liegeradkonzepten. Auf seinem Aussiedlerhof hat er alle technischen Möglichkeiten, so baut sich der junge Kerl seinen ersten Lieger selber. Sein Rad hat natürlich – wie üblich – kurzen Radstand und Untenlenker. Natürlich ist er nicht zufrieden damit. Und natürlich landet er nach längerem Suchen hier bei uns. Und nun setzt er sich hier auf unserer guten alten Test-atl und ist natürlich „verwundert“ (das ist wohl das richtige Wort) darüber, wie der abzieht und wie locker das Bergauffahren geht. Das klang gestern wie eine Neuigkeit, solange ist es her, dass das zuletzt einmal jemand bestätigt hat. Aber natürlich wissen wir das schon lange: ist beim Klassik unter Eigenschaften erklärt, warum das so ist.