Zwei auf einen Streich

Ist das nun positive oder negative Energiebilanz, wenn am Ende mehr Energie da ist als am Anfang war? Und geht das überhaupt? Ein Weltverbesserer schafft’s natürlich locker, sich das zurechtzurechnen: Letzte Woche an einem Tag mit der zeitgleichen Auslieferung zweier Radnäbel auf einen Streich zwei Autos abgeschafft! Die beiden Neukunden aus der Freiburger Gegend sind ab sofort autofrei (wird unten noch näher erörtert). Wenn man das Bissle Herstellenergie für zwei Räder gegenrechnet mit Herstellenergie und Sprit für, sagen wir 2 mal 20 Jahre – so lange werden die Räder wohl halten – nicht Autofahren, dann bleibt da schon einiges übrig. So ne Rechnung ist natürlich nicht zulässig. Was hätte da zB ein Umweltminister, wenn er so rechnen dürfte, mit all seinen Transatlantikflügen für eine prima Energiebilanz? Die beiden müssen sich ihre Autofreiheit schließlich künftig tagtäglich selber erstrampeln (aber mit den Radnäbeln ist das ja wiederum gar nicht so furchtbar, dazu hat’s ja bereits ausführliche Ausführungen in tieferen news). Sind beide in der Tat Musterexemplare von Wunschkunden (das wiederum ist beinahe die Regel, darüber sind wir sehr glücklich). Den einen, den Christoph, kenne ich schon recht lange. Ist ein Fagott-Kollege, haben vor wohl 20 Jahren ein erstes Mal zusammen musiziert. Er war damals Studentlein dieses gemeinsamen Instruments und lehrt + dirigiert inzwischen an einem Musikgymnasium in der Freiburger Umgebung. Ihn haben die Radnäbel schon lange begeistert, aber er konnte sich sowas bisher einfach nicht leisten. Vor einigen Jahren rief er mich an und beichtete, dass er gerade an einer Homepage für Radnabel bastele und ob’s recht sei. Einfach so, wo gibt’s denn sowas! Inzwischen hatten sie sich häuslich neu eingerichtet gleich beim Freiburger Bahnhof. Die Karre war verhökert, und nun war locker genug Geld übrig für einen Top-falter. Und nun geht’s per Bahn + falter zum Unterricht, die Version morgens hin im Zug und zurück entspannt mit dem Rad. Nach drei Tagen kam die Rückmeldung, die ersten 150km seien drauf. Die Freundin des anderen, von Till, erzählte, als sie zum ersten Mal zum Testfahren da waren, er müsse die Radnabel-Homepage eigentlich auswendig können, so oft wie er sie angeschaut hat. Der Till ist ein noch recht Junger, hat man selten in der Kundschaft. So einer muss alles zusammenkratzen, um sich so ein Rad leisten zu können (bin mir nicht sicher, ob er je ein Auto besaß. Falls nicht, dann ist die Angeberei mit den zwei abgeschaffter Autos sowieso nur halb wahr). Jobbt auf einem Bio-Bauernhof am Kaiserstuhl, ist aber eigentlich Kunsthandwerker. Er baut uA Lampen aus Holz, wo das Licht durch hauchdünnes, handgeschliffenes Furnier durchscheint. Haben einen Deal gemacht, und so kam ich nun zu einer seiner Top-Stehlampen. An dem Tag, als er kam, um die beiden Räder abzuholen, war um die Werkstatt rum ein alljährlicher Kunsthandwerk-Markt, Tills geballte Konkurrenz alle aufs Mal. Ist ja alles wunderschön, was die da erschaffen, aber kaufen tät ich mir sowas nie. Diese Kunsthandwerker-Branche ist ja sowas wie eine revolutionsverzögernde Maßnahme: Da hat die „Kleptokratie“ (schönes Wort, hab ich neulich aufgeschnappt) die Möglichkeit, ein wenig ihres zu unrecht erworbenen Zuviel wieder herzugeben für teuren Tand. Und so sichern sie diesen Herzblut-Schöpfern ein kärgliches Überleben. Doch durch Tauschhandel an so ne Lampe zu kommen, das hat doch was: Jetzt kann ich immer, wenn ich sie anknipse dran denken, dass der Till wohl heute wieder auf einem unserer Räder saß. Demnächst gibt’s dort am Kaiserstuhl ein Hoffest. Werden wohl was draus machen. Ist dann der Anlass für eine erneute Schwarzwald-Querung, nachdem die letzte eben erst war: In Sachen Musik, Schweiztournee, Dienstreise, alles mit dem Fahrrad versteht sich. Und den Christoph werd ich dann auch wiedersehen.