So, heute mal was für die „atleten“. Weiß schon, gehört großgeschrieben und das „h“ fehlt. Soll ja auch ein Wortspiel sein. Gemeint sind atl-FahrerInnen, die den „All-Tags-Lieger“ auch als Sportgerät hernehmen. Dürfen sich aber auch alle anderen Radsport-AthletInnen angesprochen fühlen. Einziges Kriterium echter Männer, ob ein Rad was taugt, ist ja, wie Mann damit einen Berg hochkommt. Da grassiert ja das für die meisten Lieger-Konstruktionen nicht ganz unberechtigte Vorurteil, dass Lieger am Berg nix taugen. Das stimmt ja nun bei unserem atl garnicht (versteht man/frau spätestens, wenn er/sie das hierzu auf der „klassik“-Seite unter „Eigenschaften“ knapp und technisch dargelegte kapiert hat). Lasst uns die Bergtauglichkeit unserer atls mal wieder demonstrieren, also: In der Schweiz gibt’s den Verein „FreiPass“ ( www.freipass.ch ) mit Vereinspräsident und allem. Der organisiert jedes Jahr an einem Alpenpass einen autofreien Tag, ein Fest für uns Radler. Dieses Jahr ist der Susten dran, am 20. September. Wird meine vierte Sustenquerung sein, kenne den nur aufm Rad. Die vorletzte Querung war auch schon autofrei. Das war vor ein paar Jahren, kurz nach den heftigen Unwettern dort. Es hatte weit oben eine Brücke weggespült, aber der Radler trägt sein bestes Stück dann einfach durchs Bachbett. Hatte mit Freund Eberhard den ganzen Pass komplett für uns alleine (diese nun schon ein Vierteljahrhundert andauernde Geschichte mit Ebi muss ich jetzt doch mal knapp zum Besten geben, aber Geduld…). Haben für diesen Septembertag noch nichts konkret organisiert. Vielleicht treffen wir uns am Freitagabend auf der Westseite in Meiringen. Dort hat’s einen Bahnhof, und man kann zelten. Vielleicht finden wir noch einen Hof zum Nächtigen mit adäquatem Frühstück für diesen Sporttag. Die gepäckfreie Variante zum Passerklimmen wäre dann, dass Zelt usw einfach da bleiben und wir den Pass dann gleich zweimal „machen“: hin und zurück, geht nicht gibt’s nicht, und ohne Gepäck macht’s halt doch mehr Laune. Also, wenn sich wer angesprochen fühlt und gern mit dabei wäre, über „Kontakt“ könnt Ihr’s kundtun, dann halten wir Euch auf dem Laufenden. Nun also zu Ebi + Dieter: Angefangen hat alles vor – ja wohl – 25 Jahren mit einem Wohnheimfest auf Schloss Solitude, wo damals die halbe Stuttgarter Kontrabass-Hochschulklasse hauste. Am Tag drauf brach diese mit Anhang zu neunt in zwei selberausgebauten VW-Bussen inkl drei Kontrabässen + einem Tandem auf in Richtung Schweden, und ich war mit einer guten Freundin mit dabei – so spontan war man damals, wir kannten uns wirklich nur vom vorangegangenen Abend. Waren heiße Wochen. Einiges später, nach dem „Tour de Sol“-Erfolg mit dem elektromotorbestückten atl-Prorotyp (war 1988 und ist schon so lange her, dass davon hier noch nie die Rede war, das kommt aber auch mal noch mal, ich versprech’s) bekam Ebi einen Elektro-atl gebastelt. Mit dem hat er eine Zeitlang versucht, seinen täglichen Dienstweg aus der inzwischen Tübinger Umgebung zu einem der Stuttgarter Orchester, in dem er seither spielt, zu überwinden. Das hat nicht so recht funktioniert, für so eine Strecke waren die damaligen Batterien zu schwer, das Ding fuhr 75km/h, Speichen, Reifen usw waren überfordert. Bald gab’s den Rückbau zum reinen Muskelkraft-atl. Und dann hab ich ihn wohl mal zu arg „deklassiert“ an einem Pass, und Ebi kam zu dem Schluss: „Rennrad ist eh viel besser“ (siehe oben: wie echte Männer Räder bewerten). Seither kämpfe ich mit Ebi diesen Kampf aus, wir sind immer wieder gemeinsam in den Bergen, und oft hat er mir’s gezeigt mit seinem Renner – und umgekehrt. Waren oft erbitterte Kämpfe, die wir uns geliefert haben. Die Krönung war 2003. Wir radelten in 19 Tagen von TÜ bis ans Ende Europas, bis Granada in Südspanien, kurz vor Afrika. Habe fast ausschließlich seinen Windschatten genutzt und habe zweieinhalb Wochen fast nur sein Hinterteil gesehen. Hatte keine Lust auf kämpfen, hatte Ferien. An Frankreich – wo in diesem Sommer fünftausend den Hitzetod starben – und Spanien habe ich kaum eine Erinnerung behalten. In einer Sierra in Mittelspanien wären wir dann fast selber verdurstet, als 70km weit kein Dorf und nix mehr kam. Dort hat uns dann ein Kloster mit einer riesen Marienstatue errettet, wäre beinahe wieder gläubig geworden! Wir haben uns damals in dieser Anspannung so gestritten, dass ich einmal sagte, jetzt braucht unsere Freundschaft wohl mal eine Pause. In Granada angekommen schlief ich anderthalb Tage durch in der maurischen Höhlenwohnung von Derk, einem jungen, ehemaligen Orchester-Praktikanten in Ebis Orchester. Dann ging’s an die Königsetappe dieser Reise. Hinter Granaga erhebt sich die Sierra Nevada, da hat’s die höchste Straße, die unser Kontinent zu bieten hat. Der Veleta hat 3494müM. Bis fast ganz oben kann man fahren. Wir waren jetzt zu dritt, mit Derk, ein ungleiches Trio, mit Rennrad, Lieger und Mounty. Unten fängt’s sechsspurig an, bald wird’s ruhiger. Nach einer guten Stunde gab’s Schwimmen im Stausee, der die Stadt mit Wasser versorgt – inzwischen recht kärglich, die haben dort jetzt richtig Wasserprobkeme. Dann ging’s weiter, alles in allem so sechs Stunden immer höher. Hatte die beiden gut im Griff, war gut erholt. Die Straße wird immer schmaler, ist irgendwann für Autos gesperrt. Am Ende war Ebi doch als erster oben, hat aber nicht recht gezählt. Da war wieder das Wasserproblem. Mit Derk war ich lange vornedraus, als wir etwas abseits eine Herberge entdeckten, wo wir uns nochmal bevorraten konnten. An die Abzweigung zurückgekehrt warteten wir auf den durstigen Ebi, 20 Minuten, da kam keiner. Da entdeckten wir schon weit oben ein graues Etwas den Berg hochschleichen. Ebi war also doch schon durch. So war er natürlich nicht mehr einzuholen. War dann auch nicht mehr so wichtig. Es war irre schön da oben, und endlich war’s mal wieder eisekalt, endlich mal wieder frieren. Haben viele Bilder gemacht.
Ebi und ich waren auch seither jedes Jahr mal ein paar Tage in den Bergen. Das Kämpfen ist inzwischen nicht mehr so wichtig. Wir wissen seit den damaligen Streits, wo wir uns in Ruhe lassen müssen. Morgen geht’s mal wieder auf zur diesjährigen Unternehmung. Freu mich drauf: Das ist ein Teil dessen, wofür ich über’s Jahr arbeite.
Später Nachtrag: Aber das war doch recht nett, was der Schweizer HPV-Chef (unser Verein „Human Povered Vehicles“ ist ja der Tummelplatz für Fahrradbastler) da im vorletzten Vereinsheftle „Info Bull“ über unsere Sustenquerung schrieb. Er hatte sich den Radnablern kurzentschlossen angeschlossen, und, na ja, es hat ihm wohl bissle gefallen mit uns. Habe seine Erlaubnis, seinen Bericht hier zu veröffentlichen.