Polit-Polter (die zweite)

Super-Frühjahr 2007

PRIMA KLIMA – ENERGIE OHNE ENDE„, dieser Spot unserer neuen Werbeanzeigen könnte Sie hierher gelockt haben. Und nun sind Sie sicher neugierig, was das soll. Jawohl, wir reiten mit auf der Klimawelle: wir dürfen das. Seit Jahren ist dies unsere erste Werbekampagne. Denn wir weigern uns seit jeher, unsere Produkte wie allseits üblich zu bewerben mit Spaß, fun, action…, weil’s schlicht verlogen wäre. Werbung, die an die Vernunft appelliert, war aber lange chancenlos. Haben drum längere Zeit nicht mehr per teuren Anzeigen auf uns aufmerksam gemacht, sondern lieber abgewartet, wissend, dass die Zeit für uns arbeitet. Jetzt reden alle vom Klimaschock, freut uns insgeheim, da melden wir uns umgehend zurück. Dann ist jetzt wohl vollends klar, wie der Spot zu verstehen ist: wenn jemand schon lange weiß, dass er Recht hat, und so lange warten muss, bis man anfängt, ihm häppchenweise Recht zu geben, dann darf man dem auch mal so eine sarkastische Flapsigkeit nachsehen. Es ist sicher heilsam, dass viel zu lange hochgekochte „Problemchen“ wie Demographie, Rente, Arbeitsplätze endlich ihren wahren Stellenwert hinter dem Klimaproblem finden. Doch bleibt zu fragen: Ist das Klima denn wirklich das drängende, oder gibt es da ein noch deprimierenderes Problem, über das noch immer nicht die Wahrheit gesagt werden kann? Wie ist das denn mit den regenerativen Ersatzenergien, kriegen wir die noch so schnell hochgefahren wie jetzt erforderlich? Nun, machen wir’s kurz: die hier tiefer stehende, ebenso fett gedruckte Dauernews seit Sommer 2006 legt nahe, dass der Zeitpunkt wohl bereits verstrichen ist für einen schmerzfreien Umstieg auf diese Energieträger. Das heißt, auf uns wartet eine Ära des Energiemangels – mit allen Konsequenzen – , dadurch verschärft, dass der ungestüme Klimawandel uns zwingen wird, die restlichen fossilen Bestände ungenutzt und unberührt zu lassen. Und was macht die Politik, was ist passiert, seit der UN-Klimabericht die nächsten 13 Jahre als die entscheidenden postulierte? Bald ist ein halbes Jahr vergangen, außer Bewusstwerdung – sicher elementar wichtig – sind noch keine Weichenstellungen wahrnehmbar. Man darf getrost befürchten, dass die Politik am Klimaproblem versagen wird, müsste sie doch radikale Umkehr einleiten und beispielsweise vom gehätschelten Turbokapitalismus Abschied nehmen (dieser hat die Globalisierung „gemacht“, deren größtenteils kropfunnötige Warentransfers allein schon 1/10 des Energiekuchens vertilgen sollen). Beim „getrost Befürchten“ sollten wir’s diesmal aber nicht belassen und nicht nur zuschauen, wie die Politik versagt. Dieser Klima-Energie-Komplex – dieses denkbar unerotischste aller Themen – ist nun wirklich von existentieller Wichtigkeit. Diesmal sollten wir nicht mehr in der alt-„bewährten“ Strategie verhaften bleiben: „irgendwie wird’s schon gehen“, mit dieser haben wir uns genau hierher gebracht. Diesmal sollten wir uns tunlichst auf die sichere Seite begeben, denn solange auch nur die Chance besteht, dass es die Politik vergeigt, spielen wir mit dem Überleben richtig Vieler. Was bleibt zu tun? „SELBER SCHAUEN„, dieser zweite Spot unserer Anzeigen hat eine zweite Bedeutung: „was kann ICH tun?“. Sicher eine Menge, und plötzlich ist eine alte Tugend wieder aktuell. Ich kann ein Leben führen, das ich vor mir selbst verantworten kann, verbunden mit der Hoffnung, damit zur Nachahmung anzuregen und so Ungeahntes anzuschieben. Wenn die Politik hierzulande es immer noch scheut zu gestehen, dass Energieeffizienz alleine nicht mehr ausreicht und Verzicht auf Energieverbrauch unumgänglich ist: Dann lasst uns eben von alleine damit beginnen: mit dem Verzichten. Und wo? Die hiesige Mobilität schluckt angeblich „nur“ knapp 1/4 des Energiekuchens. Unterschlagen wird dabei stets der Anteil des industriellen Verbrauchs für die Herstellung der Mobile. Den eingerechnet sind wir eben doch bei der Hälfte von allem. Also eignet sich für uns – global gedacht, lokal gehandelt – als effektive Erstmaßnahme der Autoverzicht bestens. Diese Einsicht bei Ihnen zu festigen, ist das erste Ziel dieses Textes. Die Autofreiheit muss garnicht so weh tun, sie wird sogar neue Freuden bringen. Wer sie ohne unser Rad wagt und durchhält, genießt unsere Hochachtung. Mit einem Radnabel geht’s allerdings leichter, das wissen wir aus langem Selbstversuch und aus dem Feedback vieler glücklicher Kunden. Dabei kann dann doch wieder so etwas wie Genuss aufkommen. Sie dafür zu interessieren ist natürlich eigentliches Ziel dieses Textes.

Polit-Polter (die erste)

!seit Sommer 2006!

Fette Dauer-news mit Langzeitgültigkeit: Lange danach gesucht, neulich endlich geschenkt bekommen mit Widmung zum 20-Jährigen (news vom 22.06.2006): das neue Buch der Bücher, die Bibel nicht nur der Radnabel-Sekte und anderer Autofreier. Hatte schon länger erwogen, ob ich nicht besser statt immer noch (scheinbar) anachronistisch hierzulande teure Fahrräder zu bauen besser hätte ebendieses Buch schreiben sollen. Nochmal drumrum gekommen, und Richard Heinberg, Kanadier, Journalist, Sachbuchautor, Musiker, Professor, kann’s eh viel besser. Ist als interessierter Soziologe sozusagen vom Fach und hat von da aus konsequent weitergedacht. Hat so zu den richtigen Fragen gefunden und sich große Mühe gemacht, die gefundenen Antworten darzulegen und daraus die auf der Hand liegenden Konsequenzen herauszuarbeiten. Heinbergs Buch „THE PARTY’s OVER“ Untertitel: Das Ende der Ölvorräte und die Zukunft der industrialisierten Welt (Deutsche Fassung: Riemann Verlag München ISBN 3-570-50059-4) liest sich für mich wie 450 Seiten Werbung für unsere Räder. Und doch öffnen sich auch mir, den dieses Thema tagtäglich berufsbedingt begleitet, alle paar Seiten die Augen. So z.B., wenn er zunächst ganz allgemein erörtert, welche Bedeutung Energieflüsse in Ökosystemen haben. Oder, wenn er später den Zusammenhang von Verfügbarkeit von Energie und dem Entstehen und Zusammenbrechen von Großmächten untersucht. So arbeitet sich Heinberg über Grundlagen und Erdgeschichte allmählich zur Kernaussage seines Buches vor: Wir erleben ja zur Zeit diese „unerklärliche“ Explosion der Ölpreise (2002 war der nochmal unter 20$ / Barrel, nun, Mitte 2006 sind wir erstmals bei über 80$ /Barrel). Heinberg lässt hier die „Kassandras“ zu Wort kommen, jene, welche dem Trojanischen Vorbild gleich die Wahrheit vorhersagen, aber nicht gehört werden. Es sind v.A. abtrünnige, ehemalige Öl-Manager, die das Lügen satt haben. Sie verkünden hier: Wir erleben in diesen Jahren die historische Phase des Allzeit-Höchstförderung von Öl. Soviel wie jetzt wurde nie gefördert, aber mehr wird’s ab sofort nie mehr (glücklicherweise, sag‘ ich). Nein, die Öl-Förderkurve wird nun noch ’ne Weile auf diesem hohen Niveau dümpeln und danach in zunehmendem Maß nach unten zeigen. Das hat diese Ursachen: Schon lange werden nicht mehr wirklich bedeutende neue Ölfelder entdeckt. Die Suchmethoden sind längst so perfekt, dass da nix mehr verborgen bleibt. Die großen Ölfelder sind meist schon soweit erschöpft, dass das Fördern des Restöls immer aufwendiger, auch energieaufwendiger wird (hier muss ich nun – vielleicht etwas ungeschickt platziert – einen Kernbegriff des Buchs einführen, den EROEI = Energy Return on Enery In, also den Quotienten aus der rausgebrachten Energiemenge durch die dafür eingesetzte). Gleichzeitig steigt nun aber die Öl-Nachfrage erst noch stetig weiter. Angebot- und Nachfragekurve schneiden sich, zum ersten Mal kriegen welche kein Öl mehr ab. Wirtschaft reagiert auf sowas höchst empfindlich. Da erwarten uns bereits in den nächsten Jahren einmal mehr Umwälzungen, die man angeblich nicht vorhersehen konnte (haahaa, gähn, sag‘ ich). Und was nun? Heinberg untersucht im Folgenden eine nach der anderen die Alternativen zum Öl. Die meisten – Kernkraft, Kohle, Fotovoltaik, usw. – kommen dabei schlecht weg, besser allenfalls die Windkraft. Das alles hat wiederum mit dem EROEI zu tun: Wie soll man denn Energie, die eh schon fehlt, abziehen, um sie zur Erschließung anderer Energieträger zu verwenden? Also: Chance verpasst, schade. Unser derzeitiger Lebensstandard wird sich von selbst erledigen. Woran lag’s? Ja, man hätt‘ halt frühzeitig doch verzichten sollen und die dadurch ersparte Energie schon früher und viel massenweiser in die Regenerativen stecken sollen. Man merkt’s wohl: da ist einer sauer, jawoll: Unsereiner fühlt sich seit Jahren betrogen, nicht nur um die gebührende Wertschätzung, sondern handfest um’s Materielle. Man stelle sich mal vor, eine Regierung hätte die Chuzpe gehabt: „Wir brauchen beim Umstieg auf regenerative Energiequellen – die mit Fördergeld zunächst richtigerweise gepäppelt werden – eben doch auch Verzichtsleistung als flankierende Maßnahme. Und drum fördern wir auch Technologien die das Verzichten erleichtern“. Nun, wer will wegdiskutieren, dass am sofortesten, schmerzlosesten und in nirgend sonst möglicher Größenordnung bei der Motor-Mobilität zu verzichten wäre. Wenn man also auch die Muskelkraftfahrzeuge-Technologie gepäppelt hätte – man stelle sich mal vor, man hätte 10.000 Ingenieure jahrelang am atl weiterentwickeln lassen: Wie tät‘ der dann aussehen, wie billig wäre der jetzt?? Nun gut, jetzt haben wir den Salat. Bei Heinberg geht’s nach der verpassten Chance weiter mit dem Abstieg, dem Zusammenbruch. Natürlich können Prognosen da nur noch vage sein. Jedenfalls macht’s, diesen Abschnitt seines Buches zu lesen, wirklich keinen Spaß. Es wird letztlich die Masse Energie fehlen, um im Haber-Bosch-Verfahren – der wichtigsten Erfindung des 20. Jh., wie Heinberg schreibt – den Luftstickstoff zu binden und den Böden wieder zuzuführen. Damit wird die Weltbevölkerung von jetzt gut 6 Mrd. schrumpfen müssen, Größenordnung: um zwei Drittel in 100 Jahren, wie auch immer. Jedenfalls leistet es nicht friedlichem Schrumpfen Vorschub, wenn unsere tolle Regierung jetzt wieder Kinderkrieg-Förderung betreibt, um ihr vergleichsweise mickriges Rentenproblemchen kurzfristig zu lösen. Noch zum „(scheinbar) anachronistisch hierzulande teure Fahrräder…“: Das mit der unsäglich segensreichen Globalisierung gibt sich dann eh von selber mangels Triebkraft. Solange wird hier weitergekämpft. Also, kaufts’s, lests’s, tut’s Buße. Oder: kaufts’n atl, denn ab sofort gibt’s unsre Bibel gratis dazu!

Testbericht mit Nachtritt

Wenn Sie nun diesertage hier gelandet sind, gehören Sie wahrscheinlich zu denen, die unserer Seitenaufrufstatistik jetzt mal wieder eine Delle nach oben bescheren. Und Sie landen hier, trotz dem, dass Sie in der „Radwelt“ (3/05 Seite 35) den Artikel über den falter gelesen haben. – Spaß beiseite, der ist gar nicht so daneben ausgefallen wie befürchtet. Man muss schon dankbar sein, heutzutage für sowas eine halbe Seite zu bekommen. Übrigens, es ist kein Geld geflossen, und es wurden keine Nachfolge-Werbeanzeigen in Aussicht gestellt. Aber, als vor zwölf Jahren unser klassik hoch gelobt wurde, tat man das noch auf vier eng beschriebenen Seiten. Immerhin, im Gegensatz zu dem, was letztes Jahr in „Aktiv Radfahren“ über den falter stand, ist diesmal das Meiste auch korrekt. Dass da gleich zu Beginn unser „Anspruch“ thematisiert ist, erfreut uns (das zieht sich hier in den benachbarten Seiten durch als roter Faden). Leider fehlt dann doch zweierlei: Erst mal: Ein Bild vom Faltknäuel, aber das gibt´s hier auf der falter-Seite. Vor allem aber fehlt komplett die zweite Hälfte: Die Verkleidung. Die ist alles andere als unwesentlich. Denn die erst verleiht dem Rad seine Allroundtauglichkeit, macht es bei jedem Wetter und ganzjährig verwendbar. Dann erst geht´s wirklich ohne Auto, DAS ist unser „Anspruch“. Natürlich muss in jedem Test auch was kritisiert werden. Leider ist das mit schöner Regelmäßigkeit stets dasselbe: Das mutmaßliche Lenker-Knie-Kollisionsproblem. Es ist schon ein bissle lästig, immer wieder darauf eingehen zu müssen. Es ist das typische Anfängerproblem, fast alle Neu-Probefahrer haben da erst mal Schwierigkeiten. Wenn sie dann ein paar Stunden Gewöhnung haben, ist es gegessen. Wie sonst könnten wir sechzehn Jahre lang unsere Räder so bauen, wenn da wirklich ein Problem wäre? Unsere Lenkgeometrie IST ausgefuxt! Ich glaube, selbst im Suff fahre ich Ihnen einen 2m-Radius-Kringel. Solche Radien gehen sowieso nur im Lauftempo. Dann darf man doch auch die Füße von den Pedalen nehmen, auf die Fahrbahn stellen und sitzend „gehen“. Dass dies geht, ist doch gerade ein Vorteil unserer Räder. Und sie sind – wenigstens unbeladen – einfach am Lenker angehoben ausbalanciert, und wegen des tiefen Durchstiegs KÖNNEN sie einfach über dem Rad stehend auf der Stelle gewendet werden, MÜSSEN aber nicht. Nun, leider erreichen die Profitester der Radzeitungen aus Zeitgründen nie diese Gewöhnungsreife. Es ist schon blöd, dass sich so ein Vorurteil nach mehreren Testberichten dann manifestiert. Andererseits: Wir können doch damit leben, wenn es sonst nichts Kritisierbares gibt, und der einzige Kritikpunkt garkeiner ist.

ADFC und Radwelt

Habe gestern eine Gewalttour hinter mich gebracht: 14 Stunden im ICE nach Bremen und zurück an einem Tag, natürlich mit falter + delfin im Gepäck. Dort gab´s zwei Stunden Aufenthalt in der „Zentrale der Macht“ beim ADFC und der Redaktion ihrer Vereinszeitschrift RADWELT. Unser „Ressortleiter Öffentlichkeitsarbeit“ und Hartz4-Null-Euro-Prakti Bodo, hatte die Chefredakteurin Alexandra Kirsch so lange mit Mails und Telefonaten eingedeckt, dass wir nun tatsächlich dort den falter präsentieren durften. Bodo, der falter+tramp-Pendler zwischen TÜ und HH, kam aus der Hansestadt angereist. Ein exquisites Exemplar des falter hatte ich mitgebracht: auf Kundenwunsch haben wir versuchsweise den Rahmen komplett vernickelt und anschließend mit transparentem Pulver beschichtet, sehr technische Optik nur Metall und schwarz, sehr edel. Frau Kirsch erklärte sich gleich als technisch nicht kompetent und verwies, obwohl die ganze Zeit anwesend, an einen jungen Kollegen, der sich sehr ausführlich alles erklären ließ und gezielt nachfragte. Wenn auch für ihn Liegeräder bisher eher fremd waren, war er doch vom Faltmaß angetan und redete gleich von Fernreisen usw. Da musste ich dann doch mein Sprüchlein loswerden, dass ich es lange müde bin, dass mir die einschlägigen Zeitschriften immer nur mit Freizeit, Genießen, Spaß und Fun kommen. Frau Kirsch meinte nur, Ernstes und Politisches verkaufe sich nicht. Doch muss sie ja garnichts verkaufen, wenn ihre Zeitschrift zunächst mal alle Mitglieder des ADFC automatisch erhalten. Und ich denke doch, ich bin nicht dessen einziges Mitglied, dem an ERNSTEM RADELN gelegen ist. Der ADFC versteht sich ja wohl schon noch als politischer Verein. Warum muss dann die Vereinszeitschrift dieses Freizeit-Image pflegen, das so weit von den Vereinszielen entfernt ist? Ich als einfaches Midglied wäre z.B. letzten Winter beinahe aus dem Verein ausgetreten, als die RADWELT sich folgendes leistete: zum Thema Radfahren im Winter gab´s ein Titelbild mit zwei Mouny-Yuppies, die vermutlich per Heli auf irgendeinem Alpengipfel ausgesetzt waren, und die nach zwei Metern Radeln sich hatten in den Tiefschnee fallen lassen. Der Humor, sowas witzig zu finden, geht mir ab. Na, mal sehen, was da demnächst in der RADWELT über unseren falter steht…