!seit Sommer 2006!
Fette Dauer-news mit Langzeitgültigkeit: Lange danach gesucht, neulich endlich geschenkt bekommen mit Widmung zum 20-Jährigen (news vom 22.06.2006): das neue Buch der Bücher, die Bibel nicht nur der Radnabel-Sekte und anderer Autofreier. Hatte schon länger erwogen, ob ich nicht besser statt immer noch (scheinbar) anachronistisch hierzulande teure Fahrräder zu bauen besser hätte ebendieses Buch schreiben sollen. Nochmal drumrum gekommen, und Richard Heinberg, Kanadier, Journalist, Sachbuchautor, Musiker, Professor, kann’s eh viel besser. Ist als interessierter Soziologe sozusagen vom Fach und hat von da aus konsequent weitergedacht. Hat so zu den richtigen Fragen gefunden und sich große Mühe gemacht, die gefundenen Antworten darzulegen und daraus die auf der Hand liegenden Konsequenzen herauszuarbeiten. Heinbergs Buch „THE PARTY’s OVER“ Untertitel: Das Ende der Ölvorräte und die Zukunft der industrialisierten Welt (Deutsche Fassung: Riemann Verlag München ISBN 3-570-50059-4) liest sich für mich wie 450 Seiten Werbung für unsere Räder. Und doch öffnen sich auch mir, den dieses Thema tagtäglich berufsbedingt begleitet, alle paar Seiten die Augen. So z.B., wenn er zunächst ganz allgemein erörtert, welche Bedeutung Energieflüsse in Ökosystemen haben. Oder, wenn er später den Zusammenhang von Verfügbarkeit von Energie und dem Entstehen und Zusammenbrechen von Großmächten untersucht. So arbeitet sich Heinberg über Grundlagen und Erdgeschichte allmählich zur Kernaussage seines Buches vor: Wir erleben ja zur Zeit diese „unerklärliche“ Explosion der Ölpreise (2002 war der nochmal unter 20$ / Barrel, nun, Mitte 2006 sind wir erstmals bei über 80$ /Barrel). Heinberg lässt hier die „Kassandras“ zu Wort kommen, jene, welche dem Trojanischen Vorbild gleich die Wahrheit vorhersagen, aber nicht gehört werden. Es sind v.A. abtrünnige, ehemalige Öl-Manager, die das Lügen satt haben. Sie verkünden hier: Wir erleben in diesen Jahren die historische Phase des Allzeit-Höchstförderung von Öl. Soviel wie jetzt wurde nie gefördert, aber mehr wird’s ab sofort nie mehr (glücklicherweise, sag‘ ich). Nein, die Öl-Förderkurve wird nun noch ’ne Weile auf diesem hohen Niveau dümpeln und danach in zunehmendem Maß nach unten zeigen. Das hat diese Ursachen: Schon lange werden nicht mehr wirklich bedeutende neue Ölfelder entdeckt. Die Suchmethoden sind längst so perfekt, dass da nix mehr verborgen bleibt. Die großen Ölfelder sind meist schon soweit erschöpft, dass das Fördern des Restöls immer aufwendiger, auch energieaufwendiger wird (hier muss ich nun – vielleicht etwas ungeschickt platziert – einen Kernbegriff des Buchs einführen, den EROEI = Energy Return on Enery In, also den Quotienten aus der rausgebrachten Energiemenge durch die dafür eingesetzte). Gleichzeitig steigt nun aber die Öl-Nachfrage erst noch stetig weiter. Angebot- und Nachfragekurve schneiden sich, zum ersten Mal kriegen welche kein Öl mehr ab. Wirtschaft reagiert auf sowas höchst empfindlich. Da erwarten uns bereits in den nächsten Jahren einmal mehr Umwälzungen, die man angeblich nicht vorhersehen konnte (haahaa, gähn, sag‘ ich). Und was nun? Heinberg untersucht im Folgenden eine nach der anderen die Alternativen zum Öl. Die meisten – Kernkraft, Kohle, Fotovoltaik, usw. – kommen dabei schlecht weg, besser allenfalls die Windkraft. Das alles hat wiederum mit dem EROEI zu tun: Wie soll man denn Energie, die eh schon fehlt, abziehen, um sie zur Erschließung anderer Energieträger zu verwenden? Also: Chance verpasst, schade. Unser derzeitiger Lebensstandard wird sich von selbst erledigen. Woran lag’s? Ja, man hätt‘ halt frühzeitig doch verzichten sollen und die dadurch ersparte Energie schon früher und viel massenweiser in die Regenerativen stecken sollen. Man merkt’s wohl: da ist einer sauer, jawoll: Unsereiner fühlt sich seit Jahren betrogen, nicht nur um die gebührende Wertschätzung, sondern handfest um’s Materielle. Man stelle sich mal vor, eine Regierung hätte die Chuzpe gehabt: „Wir brauchen beim Umstieg auf regenerative Energiequellen – die mit Fördergeld zunächst richtigerweise gepäppelt werden – eben doch auch Verzichtsleistung als flankierende Maßnahme. Und drum fördern wir auch Technologien die das Verzichten erleichtern“. Nun, wer will wegdiskutieren, dass am sofortesten, schmerzlosesten und in nirgend sonst möglicher Größenordnung bei der Motor-Mobilität zu verzichten wäre. Wenn man also auch die Muskelkraftfahrzeuge-Technologie gepäppelt hätte – man stelle sich mal vor, man hätte 10.000 Ingenieure jahrelang am atl weiterentwickeln lassen: Wie tät‘ der dann aussehen, wie billig wäre der jetzt?? Nun gut, jetzt haben wir den Salat. Bei Heinberg geht’s nach der verpassten Chance weiter mit dem Abstieg, dem Zusammenbruch. Natürlich können Prognosen da nur noch vage sein. Jedenfalls macht’s, diesen Abschnitt seines Buches zu lesen, wirklich keinen Spaß. Es wird letztlich die Masse Energie fehlen, um im Haber-Bosch-Verfahren – der wichtigsten Erfindung des 20. Jh., wie Heinberg schreibt – den Luftstickstoff zu binden und den Böden wieder zuzuführen. Damit wird die Weltbevölkerung von jetzt gut 6 Mrd. schrumpfen müssen, Größenordnung: um zwei Drittel in 100 Jahren, wie auch immer. Jedenfalls leistet es nicht friedlichem Schrumpfen Vorschub, wenn unsere tolle Regierung jetzt wieder Kinderkrieg-Förderung betreibt, um ihr vergleichsweise mickriges Rentenproblemchen kurzfristig zu lösen. Noch zum „(scheinbar) anachronistisch hierzulande teure Fahrräder…“: Das mit der unsäglich segensreichen Globalisierung gibt sich dann eh von selber mangels Triebkraft. Solange wird hier weitergekämpft. Also, kaufts’s, lests’s, tut’s Buße. Oder: kaufts’n atl, denn ab sofort gibt’s unsre Bibel gratis dazu!