Deutschlandreise wird geplant

Was fängt man auch an mit diesen langen dunklen Abenden? Man träumt von besseren Zeiten, beispielsweise vom nächsten Sommerabenteuer, besser: man plant das jetzt schon. Es gibt schon länger das Projekt einer Deutschlandquerung – per Rad versteht sich. Vielleicht wird’s ja dieses Jahr was: Start in TÜ Anfang August, Ziel am 21. kurz vor der Dänischen Grenze in Fresenhagen. Dort wird dann, wie leider schon seit dreizehn Jahren zwei Tage lang das Rio-Gedächtnisfestival steigen. Wer der Rio Reiser war, das weiß man hoffentlich – oder man mache sich schleunigst schlau, lese zB seine Autobiografie „König von Deutschland“, die noch kurz vor seinem Tod 1996 erschienen ist. Hier nur kurz das Wichtigste: Er war in früher Jugend zusammen mit seinen älteren Brüdern Verfasser der ersten Rockoper, später dann der Frontman der „Ton-Steine-Scherben“, DER 68-er-Band. Wer kennt nicht die Slogans „Keine Macht für niemand“ oder „Macht kaputt, was Euch kaputt macht“. Diese Band hat so viel bewegt damals, die Jungs waren zB immer dabei, wenn eine Hausbesetzung anstand, so beim Rauchhaus in Berlin – und eben auch hier in TÜ bei der Besetzung des späteren Epplehauses – noch heute Jugendhaus. Natürlich hab ich sie damals hier verpasst, war noch viel zu brav. Ich hab den Rio erst wahrgenommen, als es mit den „Scherben“ schon vorbei war, sie waren schlicht pleitegegangen, weil zu oft klar war, dass sie bei den immer politischen Anlässen für Umme spielten. Rio beschreibt so schön in seiner Biografie, wie er danach eines Nachts aufwachte und den Entschluss fasste, er müsse jetzt „auf den Strich“ gehen: Er begann eine Pop-Solokarriere, sein erster Hit – eben „König von Deutschland“ – kam sofort auf Platz eins der Charts. Das war im Werkstatt-Gründungsjahr 1986, und es war die erste Kassette, die hier rauf und runter lief, sie hatte der Claus angebracht, mein erster Mitschaffer. Rios neue Songs waren alles andere als Mainstream, sie waren meist politisch, auf eine eingängige Art eben. Mir imponiert bis heute, dass er immer ein Anliegen hatte, in seinen poetischen Texten hat er oft eine pessimistische Sicht auf die Weltentwicklung versteckt. Heute noch kann es passieren, dass ich manche Passage endlich zu verstehen glaube. Andere Songs waren Liebeslieder, die zu den schönsten zählen. Wer’s wusste, wusste das: die richteten sich immer an Jungs: Songs wie „Für immer und Dich“ oder „Junimond“ berühren mich immer wieder, wenn ich sie höre. Hätte die Werkstatt mich damals nicht voll beansprucht, ich hätte dem Größenwahn erliegen können, dem Rio klarzumachen, dass ich da gerne mit meinem E-Bass mitgemacht hätte. Schade, ich habe ihn nicht mehr kennen gelernt. Ich weiß nicht, woran Rio zuletzt eher zerbrochen ist, daran, wohin sich die Welt unaufhaltsam entwickelte, oder an seinen sicher allermeist unerfüllbaren Liebschaften. Ich möchte jetzt einfach mal da gewesen sein, wo er die letzten Jahre gelebt hat, wo er auch begraben ist, einem einsamen Hof ganz da oben, drum diese Tour. Dabei soll im besten Sinne der Weg das Ziel sein. Es gibt so viele Gegenden im Land, wo ich noch nie war. Ich stell mir einen großen Bogen nach Osten vor, da ich vor allem von dort noch fast nichts kenne. Dürften gut 1200 km werden, 60 km am Tag im Schnitt, nicht viel und doch genug, wenn man’s in einer Gruppe macht, und ich möcht eben auch Zeit haben zum Verweilen. Wir sind zZ drei oder vier, die das in Angriff nehmen wollen. Ich mach den Plan hier öffentlich, damit sich uns vielleicht noch ein paar mehr anschließen. Wenn man hier auf der Homepage gelandet ist und der Rio einem was bedeutet, dann seh ich keine Gefahr, dass man’s nicht drei Wochen mitnander aushalten könnte. Also, wenn wer Lust hat mitzukommen, bitte melden über „Kontakt“. Vielleicht machen wir dann vorab mal ein Radl-Wochenende zum Beschnuppern. Wir sind übrigens offen gegenüber „falschen“ Fahrrädern, es dürfen alle mit. Aber Vorsicht: es wäre nicht das erste Mal, dass es nach so einer Tour zu Spontankäufen kommt…