Neulich gab’s sowas wie ein Dejavue. War aber keines, denn fast genau die gleiche Begebenheit trug sich fast genau vor 20 Jahren schon einmal zu: ein noch unlackierter, eben fertigmontierter atl bringt mich in Windeseile meinen allnächtlichen 150-Höhenmeter-Berg hoch, unter reger Mithilfe eines E-Motors. Damals war es der allererste atl-Prototyp, der unlackiert gleich mal antriebstechnisch aufgepeppt wurde für die Teilnahme an der „Tour de Sol 1989“ (Solarmobil-Weltmeisterschaft in der Schweiz, siehe die letzte news hier drunter). Also, neu ist das wirklich nicht, was wir da jetzt wieder haben. Neu ist, dass man’s jetzt auch kaufen kann. Aus den Erfahrungen dieser Solar-Ralley hatten wir damals mitgenommen: über Elektroantrieb am Fahrrad kann man wieder reden, wenn sich Entscheidendes beim Stromspeicher getan hat. Es hat sich was getan, das Akkugewicht ist inzwischen bei einem Viertel von damals angelangt. Da wird’s langsam reell. In den letzten Jahren hatten wir immer wieder mal Anfragen nach E-atls, haben allerlei Varianten durchgespielt, -kalkuliert. Bestellt hatte dann aber doch keiner. So habe ich einem neuerlichen Interessenten mitte letzten Jahres recht deutlich gemacht: wir fangen diesmal erst an zu rechnen, wenn klar ist, dass eine Bestellung draus wird. Und so lief der rege Mail-Verkehr (hat sich freundschaftlich entwickelt, man ist beim Du) im folgenden unter „Betrifft: Bestellung Elektro-atl“. Der Herr outete sich gleich zu Beginn als Freizeitradler, der sich selber was schenken wolle. Wir haben das ja eher selten, den Kontakt mit der Freizeit-Branche. Die Mehrzahl unserer Kundschaft lässt sich in die Schublade Alltagsradler stecken – passend zum alt (=All-Tags-Lieger). Diese Alltags-Branche besteht allermeist aus immer wieder erstaunlich pflegeleichten Zeitgenossen, da wird nicht so schnell gemeckert, die sind schnell glücklich mit dem, was sie von uns kriegen. Und glücklich sind wiederum wir, dass wir es so außergewöhnlich oft mit solchen lieben Menschen zu tun haben. Anders die Freizeit-Branche, die hat zwei andere Vorteile. Der eine ist, dass es bei Ausgaben für Freizeitspaß offenbar kaum Grenzen gibt, da fällt dann auch für uns was ab. Der andere „Vorteil“ ist, dass bei Freizeit-Dingen alles aber auch alles stimmen muss. Soll heißen, die Freizeit-Branche lässt sich als eher heikel bezeichnen, da hat man an allem noch was auszusetzen. Meist sind’s Luftschlösser die man denen mühsam als solche ausreden muss. Aber manchmal bringt uns das Meckern auch weiter, da werden dann doch kleine Innovationen angeschuckt: diesmal könnte es eine weitere Sitzvariante werden. Wir hatten uns für den neuen Heinzmann-Hinterradmotor entschieden. Es zog sich ewig hin bis die Heinzmänner lieferten. Dann dauerte es gerade mal drei Tage – und schon begab sich og Quasi-Dejavue-Ereignis. Es ist ja heute überhaupt kein Hexenwerk mehr, so einen Bausatz zu installieren. Die Heinzmann-Komponenten passen alle haarscharf in den atl als seien sie nur dafür gemacht, sehr nett. Gerade mal sechs zusätzliche Gewindeösen, zwei Akkuhalte-Bleche und ein Sensorhalter sind der gesamte Zusatzaufwand. Wenn man das einmal hat, lässt es sich leicht kopieren. Heißt, wir können diese Kombination ab sofort anbieten. Und wir können sie auch tatsächlich empfehlen: Heinzmann + atl, der bewährte atl-Fahrkomfort und der starke Heinzmann, das scheint bis auf weiteres die Heirat der Wahl zu sein. Eigentlich ist alles genau wie damals schon. Der Unterschied: der Neue ist auch narrensicher (Rosenmontag). Wir haben ihn eine Weile so unlackiert getestet und letztlich für gut empfunden. Jetzt ist dieser erste E-atl der neuen Generation sauber pulverbeschichtet und kann sich sehen lassen.
Und weil die beiden was miteinander zu tun haben, an dieser Stelle noch ein Bild vom heiligen Original-atl, dem noch handgefeilten eben 20-jährig gewordenen. Er sieht leider inzwischen sehr alt aus, hier seine Geschichte in aller Kürze: Nach der erfolgreichen WM-Teilnahme hatte er Farbe bekommen und fuhr dann noch eine Zeitlang als E-Mobil herum. Dann, während die Vorbereitungen für die erste atl-Serie anliefen, gab’s den konsequenten Rückbau zum reinen Fahrrad. So hat der Chef ihn dann jahrelang gefahren. Und es war einfach so wie’s wohl häufig ist: kein Serien-atl fuhr sich je so angenehm wie das Original. Dieser erste war im Detail überall ein wenig anders. Aber genau darum hat man ihn früh in Pension geschickt, denn alle möglichen Serien-Anbauteile passten haarscharf nicht dran. Und die wollten wir a) selber getestet haben und b) auch gern selber benutzen. So fand der Original-atl seine Ruhe in einer Garage und harrte dort auf einen fernen Tag, da er als berühmter Erster in ein Museum hätte einziehen sollen. Doch das hat sich vor recht genau einem Jahr erledigt. Frommen Eltern hatten es versäumt, ihren Waldorf-Milchbubis beizubringen, wie man mit Böllern umgeht. Also haben die’s selber erforscht. Wurde ein tolles Feuerwerk, war live bei Google-earth zu verfolgen: eine Zeile von zehn Garagen ging in Flammen auf, unsere war eine der mittleren. Wenn unser Hausmeister zwei Tage danach nicht geistesgegenwärtig gewesen wäre, ich hätte den Leichnam nicht einmal mehr zu Gesicht bekommen. Er rief an, ob ich die rostigen Reste nicht noch schnell aus einem Schrottcontauner ziehen wolle. Seither hat der Tote hier in der Werkstatt einen Ehrenplatz. Täglich wird er mehrfach von einer Ecke zur nächsten getragen, er ist halt überall im Weg, aber das ist egal. Bei der Fotosession für den Heinzmann-atl haben wir nun gleich noch ein paar Abschiedsbilder gemacht vom Original.
Zieht’s Euch runter, und haltet’s in Ehren. Nach einem Jahr Betrauern werden wir jetzt wohl doch bald Platz schaffen für Neues.