Malaysia-Connection

Dies ist sehr wahrscheinlich der Anfang einer weiteren Fortsetzungsgeschichte, wie wir sie hier ja immer wieder haben. Nur dass deren tatsächliche Beginn schon fast dreißig Jahre zurückliegt. Ende 1982 weilte ich für gerade mal zehn Tage in Malaysia, um dort den von Deutschland entsandten Fagottdozenten zu geben. Goetheinstitut und Deutscher Musikrat betrieben dort damals ein Programm zur Verwestlichung des kulturellen Lebens, die dortige Jugend sollte in europäischer klassischer Musik unterwiesen werden. So wurden halbjährlich für ein paar Tage Instrumentalisten von hierzulande dorthin entsandt mit dem Auftrag, die Gründung eines Malayischen Nationalorchesters voranzutreiben. Diesmal hatte ich die Ehre – eine zweifelhafte, wie mir, kaum dort angekommen, klar wurde. In dem „besseren Schulorchester“, das wir vorfanden, bediente ein fünfzehnjähriger Chinese das Solohorn. Wir freundeten uns in den wenigen Tagen einigermaßen an, und es war gleich klar, dass der

Chee Ghee

Chee Ghee

Chee Ghee vom Musikmachen völlig „angefressen“ war. Kaum ein Dreivierteljahr später klingelte hier das Telefon, Chee Ghee war dran, gab auf chinesisch-englisch zu verstehen: er sei jetzt da – in Deutschland – und wolle jetzt Horn studieren. Er war kurz nach dem Musiccamp von zuhause ausgebüxt, hatte sich nach Singapur durchgeschlagen, dort so lange beim Hochhausbau mitgeschafft, bis das Geld für den Flug nach Deutschland reichte. Jetzt war er da, mutterseelenallein, ohne ein Wort deutsch zu können. Klar, was nun mit anderen auch mein Job sein würde: Sprache beibringen, später für die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule trimmen. Ich erinnere mich an lange Stunden an Omas Klavier mit Tonleitern, Kadenzen, Quartsext, übermäßiger Quint… Hat hingehauen, er hat studiert, später in Europa in verschiedenen Orchestern gespielt, bevor er, als vor 14 Jahren dieses Malayische Nationalorchester tatsächlich gegründet wurde, in die Heimat zurückkehrte, um seither in Kualalumpur in der Nationalphilharmonie zu spielen: genau zwischen den – dort noch stehenden – Twin Towers.

Twintowers

Twintowers

Wir hatten damals rasch zu enger Freunschaft gefunden, und die hält, auch über diese Riesendistanz. Den Chee Ghee, für den es damals nicht viel anderes als die Musik gab, hat einigermaßen irritiert, wie ich dabei war, mich genau davon weg und hin zu Ökologie und Fahrradbau zu orientieren. Ich hab ihn früh „geimpft“ mit meinen Umwelterkenntnissen, und es ist manches hängengeblieben! Als ich tatsächlich ernst machte, war er einer der ersten, der mit einem giftgelben atl-Erstling herumfuhr, so auffällig, dass er so manchen bis heute guten Kunden akquirierte.

Wir sahen uns in den letzten Jahren nur alle paar Jahre während seiner Zweite-Heimat-Ferien, zu vorletzt erst letzten Sommer – auf dem Bild links.

Peck Sim, seiner Frau, und Söhnlein Felix

Peck Sim, seiner Frau, und Söhnlein Felix

Da erzählte er, dass das Musikmachen in Malaysia nicht ganz ausfüllt. Es bleibt genug Zeit, eine Tauchschule zu betreiben, der ein gutgehendes Geschäft fürs Zubehör – inkl superteurer Unterwasserkameras – angegliedert ist, rafiniert. Und noch nicht genug, nun soll ein Geschäft für faltbare Räder hinzukommen, die Homepage gibt’s schon: http://www.foldingbike2u.com/. Schlau hat der Chee Ghee gleich die passende Initiative ins Leben gerufen: „Mit dem Fahrrad zur Arbeit, Malaysia“. Es ist dort so schwülheiß, dass Radfahren allenfalls in den Morgenstunden möglich ist. So entwickelt sich gerade eine Scene, die morgens einpendelt, zurück fährt man inkl gefaltetem Rad mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch wenn das noch nicht wirklich „Ernstes Radfahren“ ist, ein bissle ist man schon stolz, dass man was beigetragen hat, dass sich nun so weit weg was bewegt.

Dieser Tage hat der Chee Ghee nun schon wieder diese weite Reise hierher gemacht, nicht zuletzt, um seinen atl-falter zu überführen. Zweimal 14.000km für ein Rad schlägt bei weitem alles bislang gewohnte, und es ehrt, wenn auch auf etwas zweifelhafte Weise. Es war gut, ihn hier gehabt zu haben, schon allein für einen ausgiebigen „Faltkurs“ in 3D, auch mit Skype wäre sowas schwierig. Und es gab wieder nächtelang intensive Gespräche. Der falter – hier verpackt beim Abschied auf dem Frankfurter Flughafen – wird bis auf weiteres das Highend-Modell seines Faltradladens bleiben.

Abschied auf dem Frankfurter Flughafen

Abschied auf dem Frankfurter Flughafen

Ob sowas dort tatsächlich gebraucht wird, mal schauen. Chee Ghee ist guten Muts und hat allerlei Ideen zum Promoten – manchem gegenüber bin ich skeptisch. Aber klar, er meint’s nur gut und soll mal machen. Vielleicht sind wir ja tatsächlich – wieder einmal – ganz vorne dran: Jahrzehnelang haben Europäer billig aus Asien importiert, das scheint sich gerade zu drehen: Auswirkung unsäglicher europäischer – speziell deutscher – Geld- und Lohnpolitik?