Die Wahl und ein Buch-Tipp

Ist es jetzt so weit, dass wir uns bei den Nichtwählern einreihen müssen? Bei welcher Partei sollen wir, deren Haupsorge dem Zustand des Planeten gilt, uns denn noch einigermaßen vertreten fühlen? Lange ist man es gewohnt, immer der Avantgarde die Stimme geliehen zu haben, die jeweils noch weit vom Mitregieren entfernt war. Zunächst den Grünen, bis die sich endgültig zur Wohlfühlpartei für gutsituierte Gutbürger zurechtgestutzt hatten. Später eine Zeitlang den Linken, in der Hoffnung, die würden den Zustand des Planeten schon noch entdecken als DAS Totschlagargument gegen den Turbokapitalismus. Selber habe ich eine Zeitlang versucht, denen nahezubringen, dass sie bei ihrem ehrenvollen Einsatz für menschliche Lebensumstände der Schwächsten denselben Gegner haben wie jene Weitsichtigen, die erkannt haben, dass das herrschende, immer noch wachstumsgläubige, „alternativlose“ Wirtschaftssystem zum nahen Kollaps führen muss. Meine Bemühungen habe ich zwischenzeitlich eingestellt und war seither tatsächlich politisch heimatlos. Da kam dann genau richtig, dass Harald Welzer, einer der derzeitigen „Planetengurus“, im Spiegel zum Nichtwählen aufrufen durfte (worauf ihm Jürgen Trittin umgehend vorwarf, er sei sich wohl zu fein für die Niederungen des politischen Alltags).

Und nun kommt mir dieses nagelneue Buch in die Hände: Hans Thie „Rotes Grün“ Rosa Luxemburg Stiftung VSA-Verlag ISBN 978-3-899965-552-0 (Mittschnitt einer Buchvorstellung: http://soundcloud.com/rosaluxstiftung/rotes-gruen). Endlich einer, der es schafft, in die Öffentlichkeit zu tragen, was mir schon lange Anliegen ist: Tiefrotes und Tiefgrünes gehören zusammen. Aus der Sorge um den Planeten muss man die Systemfrage stellen (so wie dies die Grünen früher auch taten!), und andersrum: die Systemfrage sollten Linke heutzutage eben zusätzlich aus Sorge um den Planeten stellen. Thies Lösungsansatz liest sich so: „Kooperation statt Wettbewerb, Gleichheit statt Ungleichheit, Planung statt Markt“, wobei er dann dieses dreifache „statt“ gleich wieder relativiert. Das Buch fand ich am Anfang nicht leicht lesbar (wenigstens einen zehnzeiligen Schachtelsatz habe ich entdeckt). Später wird’s dann einfacher, sind die Aussagen wirklich prägnant. Gespannt bin ich, ob ich meine allererste Forderung den Planetenzustand betreffend darin noch wiederfinde, der da lautet: souveräne Staaten sollen wieder ihrem Hoheitsrecht Gebrauch machen und „Grenzbewirtschaftung“ betreiben. Sie sollten nur Importe zulassen von Dingen, die sie tatsächlich haben wollen, nicht selber haben und nicht selber herstellen können. Alles andere – das Allermeiste – bleibt außenvor. Mit dieser Maßnahme allein fänden bereits zehn Prozent des globalen Energieverbrauchs schlicht nicht statt. Und den Globalplayern wäre ihr Lieblingsspiel genommen, die Arbeiterschaft weltweit gegeneinander auszuspielen.

Bleibt die Frage: Wählen? Wenn ja: Die Grünen sicher noch lange nicht wieder. Vorher müssen die erkennen, dass sie mit ihrem Drehen an Schräubchen der Marktwirtschaft zu kurz greifen. Doch noch einmal die Linken? Besteht Hoffnung, dass sie die globalen Megaprobleme in absehbarer Zeit erkennen und als Thema für sich entdecken? Freund Gerd meinte neulich überzeugend: „Solange sie nix zu sagen haben, kann man sie schon noch wählen“.